Die entführte Braut: Wenn die Braut sich traut (German Edition)
1. KAPITEL
Isabel Whartons Träume wurden endlich wahr. Oder jedenfalls glaubte sie das. Es war Frühling, und überall blühte und grünte es. Sie war umgeben von elf angeregt plaudernden Frauen, in deren Mitte sie nun aufgenommen war, und deren Schwiegertochter, Schwägerin, Nichte und Cousine sie jetzt werden würde, wenn sie Anthony Cossa heiratete.
Die Junggesellinnen-Abschiedsparty im Garten des Cafés auf Bainbridge Island, bei der der Braut nach alter Tradition von ihren Freundinnen und weiblichen Verwandten Geschenke überreicht wurden, neigte sich ihrem Ende zu. Isabel riss die Verpackung des vorletzten Geschenkpakets auf, betrachtete die Gabe und sah dann ihre künftige Schwägerin an.
„Toll, Lucia! Einfach fabelhaft.“ Aber was war das Ding eigentlich? Irgendwie erinnerte es sie an etwas, das sie einmal im Sprechzimmer ihres Frauenarztes gesehen hatte.
„Eine silberne Spaghettizange“, belehrte sie Connie, Lucias jüngere Schwester, und schob das Paket zur Seite. „Offenbar nimmt Lucia an, dass du in deiner Ehe Pasta kochen wirst.“
Oh ja, Isabel wollte wirklich Pasta zubereiten. Und Tiramisu und Gnocci, alles für Anthony. Einfach alles wollte sie für ihn tun. Er würde ihr ein perfekter Ehemann sein, mehr noch, er würde sie zu einem Mitglied seiner großen, lebhaften und liebevollen Familie machen, sodass sie endlich das Gefühl einer Zugehörigkeit haben würde. Jedenfalls hoffte Isabel das.
„Ich hab’ das Beste bis zu aller Letzt aufgehoben.“ Connie rutschte auf die Kante ihres weißen Korbsessels.
Isabel sah zu Mama Cossa hinüber und zwinkerte mit einem Auge. „Ich weiß nicht, ob ich deiner Tochter wirklich trauen kann.“
„Ich habe Connie schon nicht mehr getraut, seit sie sich in der siebenten Klasse für das Wrestling-Team bewarb.“
Isabel lachte und zog das metallisch glänzende, goldene Geschenkpapier beiseite. Die anderen Frauen juchzten vor Vergnügen, als Isabel das zarte seidene Dessous aus dem Karton nahm.
„Also das“, sagte Connie ganz stolz, „ist doch wirklich ganz heiß!“
Isabel stand auf und hielt den roten Teddy aus feinster Seide und Spitze an sich. Das Gewebe fühlte sich an wie ein kühler, kaum spürbarer Hauch. Der spitzenbesetzte Ausschnitt ging ihr bis zur Taille, und die Beinausschnitte waren sündhaft hoch. Das mehr zum Ent- als zum Verhüllen gedachte Kleidungsstück kam ihr herrlich gewagt und erotisch vor.
„Ich glaube, Tony wird einen Herzanfall kriegen, wenn er dich darin sieht“, meinte Connie. „Aber dann wird er wenigstens glücklich sterben.“
Das Gelächter der Frauen klang wie Musik in dem Cafégarten. Eine Welle der Herzlichkeit und Dankbarkeit durchströmte Isabel. Sie war so glücklich und zufrieden, dass es ihr fast weh tat. Alle diese Frauen – Anthonys Schwestern, Tanten, Nichten und nicht zuletzt seine bezaubernde Mutter, sollten ihre Familie werden!
Seit sie nach Bainbridge Island gezogen war und dort eine Gärtnerei übernommen hatte, war in ihr das Gefühl erwacht, endlich einen Platz zu haben, wo sie wirklich hingehörte. Das Einzige, was ihr noch fehlte, war eine Familie gewesen, und nun sollte sie auch das noch bekommen.
Die Partygäste brachen langsam auf. Die meisten von ihnen blieben auf Bainbridge Island, wo in einer Woche die Hochzeit gefeiert werden sollte. Mama Cossa, immer gut gelaunt, obwohl sie wegen einer Gelenkentzündung hinkte, drückte Isabel die Hand. „Wir sehen uns bei der Generalprobe für die Hochzeit abends beim Dinner, Liebes.“
Nur ein paar Frauen waren noch im Garten, als Isabel in der Ferne ein lautes Brummen hörte. Sie sah sich im Garten um. Die Beete und Bäume leuchteten in der Aprilsonne. Gleich hinter den Wipfeln der hohen Fichten konnte sie das glitzernde Wasser des Puget Sunds erkennen.
Diese Insel erschien Isabel wie das Paradies auf Erden. Sie hatte einst ihr Leben auf den Trümmern unerfüllter Träume aufgebaut, und nun endlich sollte es seine Krönung erhalten.
Das Brummen und Röhren wurde lauter. Es war das Geräusch eines Bootsmotors oder eines Autos mit kaputtem Auspuff, ein entnervendes, fast bedrohliches Donnern.
Connie und die anderen Frauen, die im Garten Geschenkpapier, Schleifen und Bänder wegräumten, wandten sich erstaunt um. Isabel zog die Stirn kraus. Und dann, an der Stelle, wo die gekieste Zufahrt von der Hauptstraße abzweigte, erschien er.
Er war ein Bild aus ihren schrecklichsten Albträumen: ganz in schwarzes Leder gekleidet, mit einem um die
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