Afrika, Meine Passion
Diese Antwort macht mich mehr als glücklich. Ich kann es nicht fassen, wie einfach ich sie gefunden haben soll. Einer der jungen Männer springt auf und läuft vor mir her, um kurz darauf vor einem Eingang stehen zu bleiben. »Dieses Haus gehört der Frau, die ihr sucht«, sagt er und zeigt auf die offene Tür. Mittlerweile hat Klaus das Auto geparkt und ist beschäftigt, die immer zahlreicher werdende Kinderschar vom Wagen und von seinen Hosenbeinen fernzuhalten. Seine anhaltende Unruhe kann ich schwer nachvollziehen.
Vor dem Eingang rufe ich ein kräftiges »Hello«. Es erscheinen zwei Mädchen, jede mit einem Kind auf dem Arm. Erneut frage ich nach Priscilla und beide nicken bejahend, aber Englisch sprechen sie kaum. Mit Gesten fordern sie mich auf, einzutreten und auf einem der Sofas Platz zu nehmen. Ich sitze da und nehme an, dass sie Priscilla informieren, was natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Während Klaus draußen beim Auto bleibt, schaue ich mir den Raum genauer an. Offensichtlich geht es meiner Freundin besser als früher. Das Haus besteht aus mindestens zwei oder drei Zimmern, die von mehreren Personen genutzt werden. Auf dem Tisch vor dem Sofa liegt ein Handy und in der Ecke steht sogar ein kleiner Kühlschrank. Es gibt hier also sogar Elektrizität! An den Wänden hängen einige Bilder, Kalender und Massai-Schmuck.
Ich warte und versuche, mich mit den Mädchen zu unterhalten, während kleinere Kinder auf meinen Schoß krabbeln. Als nach längerer Zeit keine Priscilla auftaucht und ich mir das Zimmer genauer angesehen habe, beschleicht mich allmählich eine Ahnung, dass dies nicht ihr Stil ist. Ich frage nach einem Foto von ihr. Eines der Mädchen verschwindet und kommt kurz darauf mit einem Bild in der Hand zurück. Als ich einen Blick darauf werfe, ist mir sofort klar, dass es sich hier nicht um »meine« Priscilla handelt. Die Frau auf dem Foto sieht zwar aus wie eine Massai, ist jedoch um einiges jünger und schlanker als die von mir Gesuchte. Enttäuscht gebe ich das Foto zurück und kläre das Missverständnis auf.
Wir wollen gerade aufbrechen, als eines der beiden Mädchen mit dem Handy auf mich zugelaufen kommt, während sie aufgeregt in den Hörer spricht. Ich verstehe nur, dass sie jemandem erklärt, hier seien zwei Weiße, die eine Priscilla suchen. Ich rufe ihr noch meinen Namen zu, den sie telefonisch weitergibt. Nach einem kurzen Hin und Her streckt sie mir das Handy entgegen. »Hello?«, frage ich. Lautes Lachen und ein Redeschwall dröhnt an mein Ohr. »Corinne, it’s me, Eddy! Unglaublich, dass du in meinem Haus bist. Oh, Corinne, bitte bleib, wo du bist! Ich komme sofort nach Hause. Ich bin am Strand, aber bitte warte, ich bin so schnell wie möglich da, my friend!« Total verblüfft und außer mir vor Freude verspreche ich zu warten. Dass ich durch diesen unglaublichen Zufall auf der Suche nach Priscilla Eddy gefunden habe, kommt mir wie ein Wunder vor.
Als ich Lketinga kennenlernte, war er mit ihm befreundet. Er war derjenige, mit dem ich auf der Suche nach Lketinga alle Gefängnisse an der Küste abklapperte, nachdem er wegen eines Streites verhaftet worden war. Auch später war er eine große Stütze in vielen schwierigen Situationen. Und nun werde ich ihn völlig unverhofft nach so langer Zeit wiedersehen.
Es dauert nicht allzu lange, bis ein weißer zerbeulter PKW vorfährt und Eddy aus dem Fahrzeug springt. Er stürmt so schnell auf mich zu, dass er mich beinahe umreißt, umarmt mich und gibt einen aufgeregten Wortschwall von sich. Mit Tränen in den Augenwinkeln dankt er Gott, dass wir einander gefunden haben. Ich habe ihn sofort erkannt, auch wenn er natürlich gealtert ist. Er trägt noch immer Massai-Schmuck um den Hals und versteckt seine Haarpracht unter einem roten Tuch. Seinen schelmischen Blick hat er nicht verloren. Er führt mich in sein Haus und bietet mir eine kühle Cola an – welch ein Luxus hier draußen! Und nun erfahre ich auch, auf welche schier unglaubliche Weise wir ausgerechnet in seinem Haus gelandet sind. Er ist vor ein paar Monaten mit seiner Samburu-Frau und seinen drei Kindern von Ukunda hierhergezogen. Und seine Frau heißt Priscilla! Wir lachen herzlich.
Nun möchte er alles erfahren. Er erkundigt sich nach Napirai, denn er kannte sie noch als ganz kleines Mädchen. Als ich ihm mitteile, dass wir gerade Lketinga besucht haben, freut er sich mit mir. Wir erzählen von früher und er strahlt mich an wie ein Weihnachtsmann.
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