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Afterdark

Afterdark

Titel: Afterdark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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als wäre in aller Eile wahllos alles Mögliche in sie hineingestopft worden. In regelmäßigen Abständen greift das Mädchen nach der Kaffeetasse und führt sie zum Mund, offenkundig nicht, weil der Kaffee ihr sonderlich gut schmeckt, sie tut es eher pflichtgemäß, weil er eben da steht. Wie auf eine plötzliche Eingebung hin steckt sie sich eine Zigarette in den Mund und zündet sie mit einem Plastikfeuerzeug an. Dabei verengt sie die Augen und bläst den Rauch achtlos in die Luft, legt die Zigarette in den Aschenbecher und massiert dann, wie um sich ankündigende Kopfschmerzen zu beruhigen, mit den Fingerspitzen ihre Schläfen.
    Im Hintergrund spielt leise Go Away Little Girl vom Orchester Percy Faith. Natürlich hört niemand zu. Um diese späte Stunde essen alle möglichen Leute hei »Denny's« oder trinken Kaffee, doch das Mädchen ist der einzige weibliche Gast ohne Begleitung. Mitunter schaut sie von ihrem Buch auf und wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. Die Zeit schreitet wohl langsamer voran, als sie meint. Andererseits scheint das Mädchen auf niemanden zu warten. Sie blickt sich weder im Lokal um, noch schaut sie zum Eingang. Sie liest nur in ihrem Buch, zündet sich hin und wieder eine Zigarette an, nippt mechanisch an ihrer Kaffeetasse und wartet darauf, dass die Zeit ein wenig schneller vergeht. Unnötig zu erwähnen, dass die Morgendämmerung noch weit entfernt ist.
    Wieder einmal unterbricht sie ihre Lektüre und sieht aus dem Fenster. Da das Lokal sich im ersten Stock befindet, kann sie auf die belebte Straße hinuntersehen. Ungeachtet der nächtlichen Stunde ist sie hell erleuchtet und voller Menschen. Menschen, unterwegs zu einem bestimmten Ort, und Menschen, die nirgendwohin gehen. Menschen mit einem Ziel, Menschen ohne Ziel. Menschen, die die Zeit aufhalten, andere, die sie antreiben wollen. Nachdem sie die diffuse Szenerie eine Weile betrachtet hat, holt sie tief Luft und richtet ihre Augen wieder auf die Seiten des Buches. Sie streckt die Hand nach der Kaffeetasse aus. Die Zigarette, an der sie kaum gezogen hat, ist zu einem Aschestäbchen heruntergebrannt.
    Die automatische Eingangstür geht auf, und ein großer, schlaksiger junger Mann betritt das Lokal. Schwarze Lederjacke, zerknitterte olivgrüne Chinos, braune Boots. Sein Haar ist ziemlich lang und strähnig. Vielleicht hat er seit einigen Tagen keine Gelegenheit gefunden, es zu waschen. Vielleicht ist er auch gerade durch irgendein Dickicht gekrochen. Oder vielleicht ist es für ihn auch ein normaler Zustand, wirres Haar zu haben. Er ist eher dünn als schlank und erweckt den Eindruck, als ernähre er sich nicht richtig. Er trägt einen großen schwarzen Instrumentenkotfer bei sich. Ein Blasinstrument. Außerdem schleppt er eine schmutzige Tasche herum, anscheinend voller Noten und anderer Dinge. Auf der rechten Wange hat er eine tiefe Narbe, sie ist kurz und scheint von einem spitzen Gegenstand zu stammen. Sonst ist nichts auffällig an ihm. Ein ganz durchschnittlicher junger Mann. Er wirkt wie ein gutmütiger, aber tapsiger Mischlingshund, der sich verlaufen hat.
    Als die Empfangsdame ihn zu einem Tisch begleiten will, kommen sie an dem lesenden Mädchen vorbei. Der junge Mann geht langsam rückwärts, als würde ein Film zurückgespult, bis er sich wieder auf Höhe des Mädchens befindet. Er legt den Kopf schräg und schaut ihr interessiert ins Gesicht. Im Geist spürt er einer Erinnerung nach. Er braucht eine Weile, bis es ihm wieder einfällt. Anscheinend ist er ein Typ, der sich Zeit lässt.
    Das Mädchen bemerkt ihn, schaut von dem Buch auf und mustert den jungen Mann mit zusammengekniffenen Augen. Da er so groß ist, muss sie nach oben schauen. Die Blicke der beiden begegnen sich. Der Junge lächelt freundlich. Um zu zeigen, dass er keine bösen Absichten hat.
    Er spricht sie an. »Entschuldige, vielleicht täusche ich mich, aber bist du nicht die kleine Schwester von Eri Asai?«
    Stumm betrachtet sie ihr Gegenüber wie einen übermäßig wuchernden Busch in einer Gartenecke.
    »Wir sind uns schon mal begegnet, stimmt's?«, fährt der junge Mann fort. »Du heißt doch Yuri, oder? Ein Zeichen von deinem Namen ist anders als bei deiner Schwester.«
    Sie bleibt wachsam und berichtigt ihn knapp. »Mari.«
    Der junge hebt den Zeigefinger. »Ach ja, genau, Mari. Eri und Mari. Nur ein Zeichen ist anders. Du erinnerst dich sicher nicht mehr an mich?«
    Mari wiegt leicht den Kopf Es könnte ja oder nein bedeuten. Sie nimmt ihre

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