Ahnentanz
©2012
EPILOG
Kendall trug eine Art Lumpenkleid in Schwarz und Grau. Ihr Haar floss ihr den Rücken hinab, und trotz ihres geisterhaft blass geschminkten Gesichts sah sie großartig aus, als sie zum Duett mit Vinnie auf die Bühne trat. Gemeinsam begeisterten sie das Publikum mit einem Song nach dem anderen.
Die Dekoration war so makaber wie die Kostüme, und die Kostüme waren vielfältig und einfallsreich. Skelette tanzten mit indischen Prinzessinnen, und es gab mindestens drei Mumien, zwei Werwölfe und eine ganze Horde Draculas. Es tanzten schöne Feen, große Bäume mit grausigen Gesichtern und vieles andere mehr.
Das Haunted Holiday Happening war in vollem Gange.
Zugegebenermaßen fand es ein Jahr später statt als geplant, doch niemand beklagte sich.
Die Party diente außerdem als passende Einführung für The Barn, wie das neue Gemeindetheater heißen sollte.
In der Vergangenheit hatte hier ein Mörder gewütet – bis er selbst bei der Ausübung seines letzten Verbrechens getötet worden war.
Welch ein Wahn auch über Victor Grebbe gekommen war, es war zu spät, etwas darüber zu erfahren. Doch zeitgenössische Ärzte hatten genug zu tun, die Persönlichkeit Jon Abels zu studieren, eines brillanten Mannes mit einer tollen Karriere und einem verhängnisvollen, mörderischen Hunger.
Die letzte Nummer endete, und Kendall und Vinnie verließen die Bühne. Vinnie schien auf Wolken zu gehen, seit Zach ihm angeboten hatte, die erste CD der Stakes zu produzieren.
„Hey, ich hätte jetzt gerne meine Frau zurück“, sagte Aidan zu ihm.
„Ich übergebe sie dir sicher und unberührt.“
Während er Kendall für den nun folgenden langsamen Tanz an sich zog, sah Aidan sich um. Jonas und Matty waren da undwirkten glücklich. Sie hatte recht gehabt: Indem sie ihrem Mann verzieh und beistand, hatte sie ihn gerettet.
Miss Ady, putzmunter und gesund, saß auf einem Ballen Heu und wippte mit dem Fuß. Sie lächelte und willigte ein, als Jimmy sie zum Tanzen aufforderte.
Seine Brüder waren beide jeweils in ein Gespräch mit einer attraktiven Frau vertieft.
Kurzum, alles war gut.
Und was das Wichtigste war: Kendall lag in seinen Armen. „Können wir uns eine Minute hinausstehlen?“, fragte sie ihn mit strahlenden Augen.
„Hinaus?“
„Bitte!“
Er zog eine Braue hoch, folgte ihr jedoch bereitwillig, als sie ihn zum Friedhof führte.
„Das wird jetzt etwas seltsam, weißt du“, sagte sie.
„Ach ja?“
„Ich habe etwas zu verkünden. Und ich dachte … ich dachte, sie sollten es ebenfalls wissen.“
Sie .
Er fragte nicht, wen sie meinte.
„Wir werden einen kleinen Flynn bekommen“, sagte sie rasch und sah ihn erwartungsvoll an.
Er hob sie hoch und schwang sie einmal herum, bevor er sie wieder absetzte.
Sie standen an Henrys Grab, wo sie nun eine Hand auf seine legte und sagte: „Er hat das Flynn-Kind all die Jahre beschützt, und er hat dabei geholfen, die ganze Geschichte zu enthüllen. Und wenn er mich nicht gerettet hätte oder geholfen hätte, mich zu retten …“
Sie sprachen selten über jene Nacht. Es gab keine Veranlassung. Sie wussten beide, was geschehen war, was spielte es also für eine Rolle, ob der Rest der Welt es auch wusste?
„Du hattest recht, hier rauszukommen“, sagte er. „Henry sollte es wissen. Und Fiona und Sloan und Brendan ebenfalls.“ Er lächelte. „Nichts könnte mich glücklicher machen“, sagte er und küsste sie sanft. „Außer vielleicht, wenn wir die letzten paar Minuten der Party auslassen?“
„Hey, es ist die Party deines Bruders“, sagte sie.
„Wir sagen es ihnen morgen“, erwiderte er.
Er trug sie an der Scheune mit den Feiernden vorbei ins Haus, das nur von der besten Art Geister heimgesucht wurde.
Und bald würde es von dem Trapsen kleiner Füße heimgesucht werden.
Keiner von beiden hatte alle Antworten, aber sie hatten einander.
Und das war mehr als genug.
– ENDE –
Dieses E-Book wurde von der "Osiandersche Buchhandlung GmbH" generiert. ©2012
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