Aibon - Land der Druiden
Jenseits befördert werden.
Ein Dolch, dessen Griff von keiner Hand umklammert wurde, der allein reagierte oder zumindest den Anschein gab, es zu tun. Ich war mir sicher, dass er aus dem Unsichtbaren heraus magisch geleitet und auf sein jeweiliges Ziel gerichtet wurde.
Ich ging zurück. Vor der Dusche legt man bekanntlich alles ab, so hatte auch ich mein Kreuz nicht umhängen. Es lag in der Kabine auf der Kleidung und durch den Gang von mir entfernt, denn die Umkleideräume befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Seit meiner Entdeckung des Dolchs war eine andere Atmosphäre entstanden. Nicht mehr so kalt, so nüchtern. Die mich umgebende Luft hatte sich aufgeladen, und ich spürte förmlich, wie mein nackter Rücken von einer fremden Magie gestreift wurde, so dass sie die Gänsehaut verdichtete.
Die Lippen hatte ich fest zusammengepresst und atmete nur noch durch die Nase. Meine Augen fraßen sich an der schwarzen Waffenklinge fest, und über ihr bildete sich allmählich wieder die hauchzarte und grünlich schimmernde Wolke.
Grün war in unserer Zeit bekanntlich ›in‹. Und Aibon, aus dem die Wolke sicherlich stammte, konnte man auch als Land der grünen Magie bezeichnen. Nur hütete ich mich, es zu unterschätzen, denn auch dieses angebliche Paradies besaß gefährliche Tücken, wie ich leider am eigenen Leibe schon hatte erfahren müssen.
Ich war sehr vorsichtig bei meinem Rückzug und passierte auch die Türen der Duschkabinen. Jeden Schritt meiner nackten Füße hörte ich auf den Fliesen. Zum Glück war ich an den Sohlen bereits trocken, so dass die Gefahr des Ausrutschens vermindert wurde. Auch galt mein Blick der Tür. Ich musste sie erreichen, um im Gang zu verschwinden. Dann könnte ich zu meinem Kreuz eilen und es dem Dolch entgegenhalten.
Im Prinzip dienten die Waffen dem Guten. Seit sie sich jedoch in den Händen des Höllenfürsten befanden, konnte ich davon nicht mehr ausgehen und verhielt mich dementsprechend vorsichtig. Gern hätte ich jetzt mit Mandra Korab gesprochen, dem eigentlichen Besitzer der Waffen, aber der befand sich leider zu weit weg, er lebte in Indien. Ich kauerte am Boden und wusste hinter mir den kleinen Pool, in dem sich die Saunagäste nach ihrem Schwitzbad abkühlten.
Aus der Wolke formte sich eine Hand.
Es war für mich faszinierend, diesem Vorgang zuzuschauen, denn die Hand konnte man als feinstofflich, durchsichtig und auch gespenstisch bezeichnen. Ihre fünf Finger legten sich um den Griff, dessen blutrote Farbe dabei nicht verdeckt wurde und durchschimmerte. Ein wahrlich schauriger Anblick, der mir da geboten wurde. Ich dachte darüber nach, wem die Hand wohl gehörte. Wahrscheinlich einem Wesen aus Aibon, das zusammen mit der Waffe den Weg in die normale Welt gefunden hatte.
Plötzlich kam sie. Nichts hatte darauf hingedeutet, aber mit einer fast irren Geschwindigkeit setzte sie sich in Bewegung, jagte direkt auf mich zu und hätte mir, wäre ich stehen geblieben, schräg von oben nach unten die Brust aufgeschlitzt.
Beim Boxen hatte ich verloren. Dort fehlte es mir an der Technik, aber Reaktionsschnelligkeit besaß ich schon. Mit einem pantherhaften Satz schnellte ich zur Seite, prallte noch auf den harten Boden, überschlug mich und landete im Pool.
Erst als es über mir zusammenschlug, wurde mir dies direkt bewusst. Ich tauchte sofort unter, blieb auch unter Wasser, hielt die Augen weit aufgerissen und sah vor mir das im Grün der Kacheln schimmernde und tanzende Wasser.
Mein Ziel war der Rand des Beckens. Schnell schwamm ich darauf zu und schlug schon mit den ausgestreckten Armen an, als ich wieder auftauchte. Sofort drehte ich mich herum.
Der Dolch war noch da! Über mir und auf dem Pool schwebte er kreisend, drehte regelrechte Spiralen und befand sich dabei auf dem Weg nach unten, der Wasserfläche entgegen.
Wieder schoss der Dolch auf mich zu. Zum Glück war er nicht schneller als eine Kugel, sonst hätte ich wohl nicht ausweichen können. Diesmal ging ich bewusst ein höheres Risiko ein und drehte mich erst zur Seite, als die Waffe bereits dicht vor mir erschienen war. An meiner rechten Hüfte raste sie zusammen mit der bleichen Hand vorbei, und die Dolchspitze hieb schräg gegen den Stein der Beckenumrandung. Ich hörte noch das schleifende Geräusch und setzte alles auf eine Karte, indem ich mich wieder drehte und blitzschnell zugriff.
Ob ich es selbst gewollt hatte, wusste ich nicht, wahrscheinlich war es mir antrainiert worden.
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