Al Wheeler und die Nackte
1
In der Mitte des flauschigen
Teppichs war ein großer Fleck getrockneten Bluts zu sehen, und eine rote
Tropfenspur führte ins Badezimmer. Die Leiche lag rücklings auf dem aseptisch
rein wirkenden Fliesenboden. Es handelte sich um eine ziemlich magere,
splitterfasernackte Blondine von schätzungsweise Anfang dreißig. Sie hatte
mindestens fünf Stichwunden im Leib, und der Ausdruck ungläubigen Entsetzens
schien in ihren Augen förmlich festgefroren zu sein. Ich betrachtete sie lange
und düster, erinnerte mich schließlich zu meiner Erleichterung daran, daß ich
auf die Experten warten mußte, und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
Carson, der Hotelmanager,
wartete dort mit gequältem Gesicht auf mich.
»Während meiner ganzen
zwölfjährigen Tätigkeit hier im Hotel ist so was noch nie passiert,
Lieutenant«, sagte er. »Niemals.«
»Wer hat sie gefunden?« fragte
ich.
»Eines der Zimmermädchen«,
antwortete er. »Die Kleine wollte vor ungefähr einer halben Stunde hier sauber
machen. Ich glaube, ihr hysterischer Anfall hat sich noch immer nicht gelegt.«
Ich wies auf das Badezimmer.
»Was wissen Sie über die Frau?«
»Sehr wenig«, sagte er. »Sie
kam gestern am späten Nachmittag herein und trug sich als Virginia Reid aus Los
Angeles ein.«
»Hatte sie das Zimmer
vorbestellt?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie
kam einfach daher. Ich habe mich bei den Angestellten am Empfang unten erkundigt.
Sie war vorher noch nie bei uns gewesen, wir wissen also nichts über sie.«
Die Experten trafen ein, und
ich dirigierte sie ins Badezimmer. Doc Murphys Mephisto-Brauen hoben sich, als
er die Blutspur auf dem Teppich sah, während Ed Sanger noch bedrückter dreinsah
als gewöhnlich. Der Morgen schien sich für alle Beteiligten vergnüglich
anzulassen, dachte ich mürrisch.
»Lieutenant Wheeler«, sagte
Carson energisch, »das Starlight ist das angesehenste
Hotel in Pine City. Publicity würde sich für uns
verheerend auswirken. Gibt es irgendeine Möglichkeit...«
»Nein«, sagte ich.
Das Telefon klingelte, und ich
war froh über die Unterbrechung. Carson meldete sich und sah mich dann mit
hervorquellenden Augen an. »Es ist die Vermittlung«, flüsterte er. »Jemand
möchte Virginia Reid sprechen.«
»Lassen Sie das Gespräch
durchstellen, egal wer am Apparat ist«, sagte ich. »Und geben Sie mir den
Hörer.«
Er gehorchte und reichte ihn
mir. Ich gab ein aufschlußreiches »Hallo« von mir.
»Ich möchte mit Virginia Reid
sprechen«, sagte eine ungeduldige weibliche Stimme.
»Sie ist — äh — indisponiert«,
sagte ich. »Kann ich ihr vielleicht etwas ausrichten?«
»Indisponiert?« Das weibliche
Wesen kicherte anzüglich. »Um elf Uhr vormittags? Was kocht ihr beide denn
gerade gemeinsam aus? Vielleicht eine neue Methode, die Kaffeepause zu
gestalten? Könnte ich mir jedenfalls vorstellen.«
»Ich werde ihr ausrichten,
irgendeine unbekannte Irre hätte angerufen«, knurrte ich.
»Richten Sie ihr aus, ich sei
in einer Viertelstunde bei ihr«, sagte sie nachdrücklich. »Sie tun also gut
daran, Ihre Aktionen zu einem Ende zu bringen, bevor ich eintreffe.«
»Ich werde ihr sagen,
irgendeine unbekannte Irre würde in einer Viertelstunde zu ihr kommen«,
erklärte ich bereitwillig.
»Ich heiße Donna Barnes«, sagte
sie. »Aber erwarten Sie trotz dieses Vornamens keinerlei Kastagnettengeklapper .
Meine Mutter machte nur mal eine Reise nach Südeuropa und hatte da eine flüchtige
Affäre mit einem Zwiebelverkäufer.« Sie legte auf.
Ich teilte Carson mit, die Lady
träfe in einer Viertelstunde ein und er möge dafür sorgen, daß sie sofort in
die Suite hinaufgeschickt würde. Er versprach, sich darum zu kümmern, und ging
zur Tür. Ich trat ins Schlafzimmer und sah mich dort gründlich um. Im Schrank hingen
Kleider und Hosenanzüge, und die Kommode enthielt Unterwäsche. Auf einem
kleinen Tisch neben dem Bett lag eine Handtasche. Ich leerte den Inhalt aus und
untersuchte ihn. Abgesehen von dem üblichen Kram, den jede Frau mit sich
herumschleppt, waren da zwei Kreditkarten, ein Führerschein und rund fünfzig
Dollar in bar. Alles ungemein aufregend. Ich schob das Zeug wieder in die
Handtasche und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
Die Experten tauchten kurz
darauf aus dem Badezimmer auf. Ed Sangers junger Assistent war grün um die Nase
herum, und seine Hand, die die Kamera hielt, zitterte leicht.
»Die sprichwörtliche scharfe
Schneide im Gegensatz zum sprichwörtlichen stumpfen Instrument«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher