Alarmstufe Rot
nicht befugt, eine Diagnose zu stellen.”
Jared lachte bitter. „Nicht befugt? Lady, du hattest bei mir ganz andere Befugnisse. Du hättest es mir sagen müssen. Du und nicht Kempner. Das wärst du mir wirklich schuldig gewesen.”
War sie ihm das schuldig? Ja, wahrscheinlich. Aber nun war es passiert, und sie konnte es nicht ungeschehen machen. „Versteh doch, ich habe getan, was ich für richtig hielt.
Außerdem war ich nicht ganz sicher. Dr. Kempner meinte …”
„Nicks Meinung ist mir herzlich egal!”
„Könntest du bitte etwas leiser sprechen?”
„Warum? Hast du Angst, deinen Job zu verlieren? Willkommen im Verein, denn ich habe meinen offenbar auch verloren.”
„Das stimmt nicht. Wenn du dich operieren lässt …”
„Ich will nichts von einer Operation hören.” Drohend kam er auf sie zu. „Ich will über Ehrlichkeit reden. War alles, was du mir erzählt hast, Lüge?”
„Natürlich nicht.”
„Und du erwartest, dass ich dir das glaube?”
Sie wusste nicht, was sie von ihm erwartete. Sie wusste nur, dass sie sich für ihr Verhalten scharf kritisierte und es vermutlich ihr Leben lang bereuen würde, so gehandelt zu haben. „Du bist wütend auf mich, weil ich dir meine Bedenken nicht mitge teilt habe. Aber du solltest wissen, dass ich von Anfang an so etwas befürchtet habe. Du warst es, der die Grenzen verwischt hat. Du hast behauptet, wir könnten eine Beziehung haben, ohne dass es Rückwirkungen hätte. Und ich war dumm genug, das zuzulassen.”
„Ich denke, der Dumme bin eher ich.”
Das Herz wurde ihr schwer. Sie war hilflos. Wie sollte sie ihm klarmachen, dass sie mit ihm litt? Dass sie sehnlich wünschte, sie könnte ihren Fehler wieder gutmachen? Und dass sie ihn liebte.
„Was soll ich darauf antworten?” Sie wollte sich nicht anmerken lassen, dass sie den Tränen nahe war.
Sein Zorn schien sich in Niedergeschlagenheit zu verwandeln.
„Jetzt ist es zu spät, dass du etwas sagst. Das hättest du dir gestern Abend in meinem Bett überlegen sollen, als du behauptet hast, du würdest mich lieben.”
„Ich liebe dich wirklich.”
„Ach ja? Wenn du es in Ordnung findest, mich trotzdem anzulügen, liegt mir nichts an so einer Liebe.”
„Es war keine direkte Lüge.”
Sein kalter Blick brach ihr fast das Herz.
„Meine Güte, Brooke, lass die Wortklauberei. Du wusstest, dass etwas nicht stimmte, und du hast es mir nicht gesagt. Vielleicht war es eine Lüge durch Unterlassung, aber es ist und bleibt eine Lüge.”
Als er an ihr vorbei zur Tür ge hen wollte, hielt sie ihn am Arm fest. „Bitte, Jared, geh nicht, bevor wir das geklärt haben.”
Er schüttelte ihre Hand ab. „Ich bin erschöpft, Brooke. Und ich bin das Reden leid. Ich bin diese Ungewissheit leid. Ich will bloß noch weg von hier.”
Genauso gut hätte er sagen können, er wolle weg von ihr. „Was wird jetzt mit uns?”
„Mit uns?” Er schob die Hände in die Taschen. „Ich kann nicht noch mehr Probleme gebrauchen, Brooke. Ich brauche überhaupt niemanden.”
Die ganze Frustration, all die Angst brachen über sie herein wie eine Lawine. Und dann kam der Zorn. „Du bist im Unrecht, Jared. Vielleicht brauchst du nicht mich, aber du brauchst einen Menschen, sofern du nicht wie so viele Ärzte glaubst, du könntest dich selbst heilen.
Geh nur, und bemitleide dich selbst. Wenn du aufgeben willst, dann tu das. Ich halte dich nicht mehr.” Sie atmete zitternd ein, ihre Lungen brannten, ihr Herz tat weh. „Ich hoffe nur, du erkennst eines Tages, dass mehr Fähigkeiten in dir sind als die, Arzt zu sein. Niemand weiß das besser als ich.”
Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern. Es war wie eine Wiederholung ihrer ersten Begegnung. Aber dieses Mal nahm er ihr Herz mit sich.
Jared starrte an die Decke des Krankenzimmers. Seine bandagierte Hand lag schlaff auf seiner Brust, direkt über seinem wehen Herzen. Die Operation war vor zwei Stunden zu Ende gegangen, die Beziehung zu Brooke vor zwei Wochen. Die körperlichen Schmerzen waren nichts im Vergleich zu den seelischen, die er ihr bereitet hatte - und sich selbst.
Als die Tür aufging, wandte er erwartungsvoll den Kopf. Wider besseres Wissen hoffte er, sie sei es.
Stattdessen schlenderte Nick Kempner ins Zimmer und zog sich einen Stuhl heran. „Wie geht es meinem unleidlichsten Patienten?”
Er drehte das Gesicht weg, um Nicks forschendem Blick zu entgehen. „Ich will wissen, wann ich hier
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