Alarmstufe Rot
KAPITEL
Zum Glück kam Brooke nicht allzu spät zu dem offiziellen Lunch. Allerdings fragte sie sich, wieso sie Michelles Drängen überhaupt nachgegeben hatte. Unter all den Medizinern fühlte sie sich nicht in ihrem Element, doch sie würde es durchstehen, es war ja für einen guten Zweck. Die Kinderstation konnte wirklich jede Unterstützung gebrauchen, obgleich Brooke finanziell wenig beizutragen hatte. Zumindest würde ihre Anwesenheit Engagement beweisen, und das war sie ihrer Schwester schuldig.
Einen beladenen Teller vom Büffet in der Hand, schlenderte Brooke durch den Veranstaltungsraum der Klinik und beobachtete Michelle in Aktion. Ihre Schwester, verantwortlich für die Public Relations des Krankenhauses, war der Star des Tages; sie scherzte mit den Ärzten, begrüßte deren Frauen und genoss das Ereignis in vollen Zügen.
Nach einer Weile nahm Brooke an einem der runden Tische Platz, an dem bereits ein ihr unbekanntes älteres Paar saß. Sie stellte sich den beiden gerade vor, als Michelle im Kreis der Klinikverwaltung und der Chefärzte das Podium betrat.
Michelle klopfte ans Mikrofon, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Dann begann sie: „Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihr Kommen. Wir vom Memorial Hospital freuen uns mit Ihnen auf die neue Station. Und heute haben wir einen besonderen Gast, der Sie sicherlich in die richtige Stimmung für einen tiefen Griff in die Geldbörse bringen wird.”
Ihre Rede wurde von spontanem Applaus unterbrochen, während Michelle Brooke zu deren Erstaunen einen viel sagenden Blick zuwarf.
Brooke spielte mit einer Erdbeere mit Schokoglasur und schaute sich im Raum um. Sie erkannte, dass es zu spät war, um vor der angekündigten Rede unbemerkt zu verschwinden.
Nun gut, ihr nächster Termin war erst um drei, also würde sie so tun, als höre sie interessiert zu.
An den meisten Tagen der letzten zwei Wochen war es ihr nicht gelungen, an etwas anderes zu denken als an Jared. Und in den Nächten erst recht nicht. Sie hatte nichts von ihm gehört, dennoch hatte sie ihn ständig im Kopf - und im Herzen. Vor zwei Tagen hatte sie ihn nach der Operation besuchen wollen, sich dann aber nicht getraut. Zum Glück hatte Nick Kempner ihr versichert, dass Jared es gut überstanden habe. Alles andere lag jetzt bei ihm. Er würde einige Monate eine intensive Physio therapie benötigen. Hoffentlich würde die Therapeutin seiner Wahl ihn richtig behandeln. Oh, wenn er doch nur sie wählen würde!
Oft war sie mit sich zu Rate gegangen, ob sie nicht etwas hätte anders machen sollen. Ob sie noch einmal versuchen sollte, ihn zu überzeugen.
Nein, Jared musste von sich aus zu ihr kommen. Und die Chance, dass das passierte, war ebenso groß wie die, dass der Gastredner sich als Harrison Ford herausstellte.
„… begrüßen wir Dr. Jared Granger.”
Brookes Blick schoss nach vorn zum Podium. Bestimmt hatte sie sich verhört. Oder sie träumte. Natürlich, so musste es sein. Michelle hätte sie nicht hierher gebeten, wissend, dass sie hier auf Jared treffen würde. Das wäre zu grausam, so war ihre Schwester nicht.
Doch die Realität traf sie mit voller Wucht, als sie Jared auf das Podium zugehen sah. Sie ließ ihre Erdbeere auf den Teller fallen.
Das Ganze war so unwirklich, so unerwartet, dass Brooke wie betäubt dasaß. Er wirkte unnahbar wie eh und je. Sein Haar war tadellos gekämmt, sein Anzug makellos, die rechte Hand bandagiert und geschient wie gehabt. Sein Gesichtsausdruck war ge schäftsmäßig und selbstsicher. Nur in seinen Augen nahm sie einen Hauch von Verletzlichkeit wahr, der ihr nicht fremd war. Jared wieder zu sehen versetzte ihr einen Stich, sie empfand die Trauer und den Schmerz des Verlusts jetzt umso stärker.
Sie grub die Fingernägel in ihre Handballen, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Sie wollte nicht vor all diesen Leuten weinen, und vor Jared schon gar nicht.
Jared räusperte sich und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Alles wartete gespannt auf seine Rede. Brooke hielt Ausschau nach einem Fluchtweg.
„Ich fühle mich geehrt, dass Mic helle Lewis mich für diese Aufgabe ausersehen hat”, begann er. „Ich hoffe, es liegt an meiner Rednergabe und nicht daran, dass ich der Einzige bin, der keinen vollen Terminkalender hat.”
Die Gäste lachten. Brooke biss die Zähne aufeinander und unterdrückte ein Stöhnen.
Michelle hatte ihn gebeten, die Rede vor den Spendern zu halten? Brooke fragte sich,
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