Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Zwergenhauptmann auf einem Granitfelsen. Unter ihnen fiel der Steinwald so steil zum Meer hin ab, als wollte er sich in den grau grünen Wassern ertränken. Doch von der Küste schwang sich in weitem Bogen ein vulkanischer Damm hinüber zur Insel und endete unmittelbar vor dem Nordtor. Dieser Damm war ihr Ziel.
Tyrus suchte mit seinem Fernglas den Vulkan ab. Seit sie den Steinwald betreten hatten, erhellte ihnen der stumme Riese mit Bösefeuer und Fontänen aus glutflüssiger Lava die Nächte. Nun erwartete er sie mit weit aufgerissenem Maul.
Das Nordtor war der Eingang zu einer gewaltigen Höhle, eine riesige Wunde in der Flanke des Berges, schwärzer noch als das schwarze Gestein ringsum. Der Damm die Schwarze Straße genannt streckte sich ihnen entgegen wie eine üble Zunge.
Tyrus senkte das Fernglas und runzelte die Stirn. Warum waren Straße und Tor unbewacht? Wo würden sie in einen Hinterhalt laufen?
Tyrus schaute zurück zu dem dreitausend Mann starken Zwergenheer. Die Zwerge standen, von Kopf bis Fuß mit Asche bedeckt, so streng in Reih und Glied, als wären sie noch immer versteinert. Nur da und dort verriet eine kleine Bewegung, dass der Schein trog: Ein Schild wurde zur Seite genommen, eine Hand legte sich um einen Schwertgriff, ein feuriger Blick glühte unter halb gesenkten Lidern hervor.
Eine Stimme veranlasste ihn, sich wieder umzudrehen. »Unbemerkt kommen wir an Schwarzhall ganz sicher nicht heran«, stellte Wennar fest. »Sollte man dort noch nicht gemerkt haben, dass wir hier sind, dann werden wir mit Sicherheit entdeckt, sobald wir auch nur einen Fuß auf die Schwarze Straße setzen.«
Blott fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. »Auf dem langen Damm geben wir bis zur Insel die besten Zielscheiben ab.«
»Was bleibt uns übrig?« murmelte Tyrus. »Ich habe Nachricht von Xin die Flotte nähert sich in diesem Moment den südlichen Landungsbrücken. Wir müssen Schwarzhall ablenken. Das ist unsere einzige Hoffnung.«
Wennar gab ihm brummend Recht.
»Deine Truppen sollen sich bereithalten«, befahl Tyrus. »Wir gehen vor wie besprochen.«
Wennar nickte, aber Tyrus sah die Angst in seinen Augen. »Hoffentlich reicht die Gabe aus, die dir gewährt wurde«, sagte der Zwerg.
Sie wird reichen müssen, dachte Tyrus bei sich. Er musterte die Zwergensoldaten. Alle wussten, was sie zu tun hatten, dass sie bald dem Tod ins Auge sehen würden und dass ihr Leben in seiner Hand lag. Sein Blick wanderte hinab zu seinen behandschuhten Fingern, und er betete, sie möchten stark genug sein. Als Pirat hatte man es leichter. Da wussten die Männer, die unter einem dienten, dass sie eines frühen und grausamen Todes sterben würden. Doch heute hing das Leben vieler guter Männer von ihm ab, die eine Familie und eine Zukunft hatten. Konnte er sie so führen, wie es sich für einen Prinzen gehörte?
Wennar stieß in sein Horn, und das Heer setzte sich in Marsch. Sechstausend Stiefel wirbelten Asche auf. Vor dem Granitfelsen teilte sich die Zwergenschar wie ein Fluss und ergoss sich über die Hänge auf die Schwarze Straße hinab. Wennar winkte noch einmal, dann schloss er sich, letzte Befehle rufend, mit seinen Leutnants dem Strom an.
Schlag stellte sich an Tyrus’ Seite und betrachtete die gepanzerten Zwerge. »Der Magus wäre stolz gewesen«, murmelte der Nordmann.
»Wir können nur hoffen, dass Granit hart genug ist, um abzufangen, was man uns heute entgegenwirft.« Tyrus wandte sich den anderen zu. Schuss saß bereits auf seinem Pferd, einer kleinen Stute, die so braun war wie seine Haut. Auf dem Rücken hatte er sich über Kreuz zwei Köcher mit Pfeilen festgeschnallt.
Blott führte zwei weitere Pferde herbei. Es waren lauter Stuten, kräftige, aber kleine Tiere. Bergpferde hatte Schlag sie genannt, als er sie vor der Durchquerung des Steinwalds von einem misstrauischen Bauern erwarb.
Tyrus stieg in den Sattel, Blott und Schlag folgten seinem Beispiel. Nur Stock wollte zu Fuß gehen. Die Bergpferde waren zwar kräftig, aber für diesen Hünen doch zu klein er hätte nicht im Sattel sitzen können, ohne mit den Füßen über den Boden zu schleifen. So musste er eben Schritt halten, so gut es ging.
Tyrus musterte seine Kameraden auf dem Felsen mit kritischem Blick. Sie hatten genügend Seeschlachten überstanden, um sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. »Nun geht es in den Rachen der Finsternis«, sagte er unbeholfen. »Ich würde keinen einen Feigling schelten, der davor noch
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