Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Nichts. Jeder stand Schulter an Schulter mit seinem vorderen und hinteren Nachbarn, hatte den Speer nach vorn gestreckt und hielt den Schild über dem Kopf so weit nach hinten, dass er den ebenfalls erhobenen Schild seines Partners auf der anderen Seite berührte. Unter diesem Dach aus erhobenen Schilden kauerten die inneren Zwergenpaare und hielten sich bereit.
Tyrus glitt vom Pferd, zog sich mit den Zähnen die Handschuhe von den Fingern und warf sie zu Boden. Dann ging er auf den Zwerg zu, der am Ende der Schildträger Kolonne auf der rechten Seite der Straße stand. Ein junger Bursche noch, der seinen Panzer noch nicht lange trug. Tyrus bemerkte die Angst in seinen Augen sehr wohl.
Er sah ihn fest an und versuchte, ihm Vertrauen einzuflößen, aber der Junge zitterte wie Espenlaub, und sein erhobener Speer zuckte unruhig hin und her.
Tyrus hob die rechte Hand und umfasste das Handgelenk des Zwergs. Die bisherigen Versuche hatten ergeben, dass direkter Hautkontakt zwar nicht unbedingt erforderlich war, aber doch die beste Aussicht auf Erfolg bot.
Wennar trat zu ihm und mahnte: »Die Skal’ten kommen.«
Tyrus warf einen Blick zum Himmel. Der Schwärm stieß auf die Schwarze Straße und das wartende Heer herab. Schrille Schreie gellten über das Wasser und verhießen einen blutigen Tod.
Tyrus holte tief Atem, schloss die Augen, tastete nach dem Granit in seinem Inneren und entfesselte die Magik, die ihm der Magus übertragen hatte. Sie war leicht zu wirken, schwerer in Zaum zu halten und kaum noch rückgängig zu machen.
Er setzte sie frei.
Die Versteinerungswelle schoss durch seine Hand in den Zwerg. Das Handgelenk verwandelte sich in schwarzen Granit, die Wirkung griff auch auf den Rest des Körpers über, Fleisch, Panzerung und Waffen wurden zu Stein. Und die Magik machte auch da noch nicht Halt, sondern setzte sich fort zu seinem Nachbarn, der dicht neben ihm stand und lief weiter die ganze Zwergenreihe entlang. Ein Zwerg um den anderen wurde erfasst bis eine massive Granitmauer entstanden war. Doch Tyrus gab immer noch mehr von dieser mit Versteinerungsenergie angereicherten Magik ab.
Als sie keinen anderen Ausweg mehr fand, übersprang sie die Schilde und floss auf der anderen Seite weiter. So wurde auch die linke Zwergenkolonne zu Stein.
»Schneller!« drängte Wennar.
Mit einem letzten Energiestoß ließ Tyrus es genug sein, unterbrach den Kontakt und fiel, nach Atem ringend, auf die Knie. Vor ihm lag ein langer Granittunnel, ein Gang, gebildet aus lebenden Statuen. In seinem Inneren kauerten die restlichen Zwerge.
»Da kommen sie!« rief Wennar.
Tyrus stolperte zurück und sah die Skal’ten mit einem grässlich Kampfschrei auf die Straße niederstoßen. Doch sie stießen nur auf Stein. Viele spießten sich an den Granitspeeren auf und wanden sich schreiend in Todesqualen. Die Vorsichtigeren wurden von den dicht gedrängten Steinsoldaten aufgehalten und kamen an die im Schutz des Ganges geborgenen Kämpfer nicht heran. Klauen schrammten über den Stein, gellende Schreie erfüllten die Luft, aber der Tunnel hielt.
Drinnen sprangen die Zwerge auf und stießen zwischen ihren steinernen Brüdern hindurch mit den Speeren nach den Angreifern. Bald waren die Schreie der Ungeheuer nicht mehr von Blutgier geprägt, sondern von Überraschung und Schmerz. Andere Soldaten schossen, sorgfältig durch die Ritzen zwischen den Schilden zielend, ihre Pfeile ab und holten die Skal’ten vom Himmel wie einzelne Krähen aus einem Schwärm.
Stock erschien mit Tyrus’ Pferd. »Wir sollten uns beeilen!« Der Hüne reichte Tyrus die Hand.
Der hätte sie fast ergriffen, doch er bemerkte noch rechtzeitig die Schwärze in seinen eigenen Fingern. »Nein!« rief er heiser noch durfte er sich nicht berühren lassen. Noch war die Versteinerungs Magik wirksam. Er presste die Lippen aufeinander, konzentrierte sich auf die Kräfte und drängte sie zurück. Langsam zu langsam wurde der Stein wieder zu Fleisch. Diese Fähigkeit ließ sich nur unter Aufbietung aller Willenskraft und mit ständiger Wachsamkeit im Zaum halten. Das Geschenk des Magus war auch ein Fluch.
Als die Magik endlich gebändigt war, saß er auf.
Wennar hob sein Horn und blies einen durchdringenden Ton in die Morgenluft, das Zeichen für die nächste Phase des Angriffs. Dann sah er zu Tyrus und seinen Männern auf. »Die Mutter möge euch beschützen!«
»So wie dich und die deinen«, antwortete Tyrus feierlich.
Sobald die Zwerge im Inneren des Ganges
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