Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
der Geburt wäre allenfalls den hundertsten Teil dessen wert gewesen, was sie davontrug.
»Was glaubt Ihr, wie lange sie unser Geheimnis bewahren wird?«, fragte Kate.
»Bis das Gold aufgebraucht ist. Dann wird sie zweifellos zurückkommen und mehr fordern.«
»Und wenn wir es ihr nicht geben? … Das kann nicht ewig so gehen.«
»Dann wird sie sich mit ihrer Geschichte an jemanden wenden, der ihr gibt, was sie will. Zuerst wird sie mich als den Juden entlarven, der ihre frühere Herrin demütigte, indem er eine Tändelei mit ihr vorgab, und falls ihr das nicht genug einbringt, wird sie verraten, dass Philomène wie ein Medicus Kranke behandelte. De Chauliac wird uns nicht helfen können, und das soll er auch nicht. Wir dürfen nicht zulassen, dass unser trauriges Los ihm schadet. Sein guter Ruf darf nicht leiden. Auf ihn wartet noch viel Arbeit an seiner Cyrurgia , und dafür muss er völlig frei über seine Zeit verfügen können.«
Kate schüttelte langsam den Kopf. Sie seufzte tief und zog ihr Schultertuch fester um sich, als fröre sie. »Dann bleibt uns nicht mehr lange. Wir müssen bald aufbrechen, damit er unsere Anwesenheit in seinem Haus wahrheitsgemäß abstreiten kann, wenn man ihn danach fragt.« Sie legte eine Hand auf Alejandros Arm. »Ich sehne mich nach dem Tag, an dem wir uns an einem Ort niederlassen können, ohne Angst vor Entdeckung oder Verrat haben zu müssen.«
»Ich auch, meine Tochter.«
In der Kinderstube fand Alejandro seine kleine Tochter in den Armen der Amme vor.
»Sie ist gerade fertig«, sagte die junge Frau und reichte ihm den Säugling. Sie erhob sich. »Ich werde Euch jetzt verlassen.«
Alejandro dankte ihr. Nachdem sie gegangen war, gab er dem Kind einen Kuss auf die Stirn und sagte leise: »Komm, meine Kleine, wir wollen deiner Mutter einen Besuch abstatten.«
Philomène lag noch immer im gleichen Bett, in dem sie sich unter Schmerzen ihr Kind aus dem Leib hatte schneiden lassen; sie war zu schwach gewesen, um aufzustehen. Kate und die Mägde säuberten sie so gut es ging, dennoch überfiel Alejandro beim Betreten der Kammer der schale Geruch, der mit Bettlägrigkeit verbunden war. Er legte das Kind ab und öffnete kopfschüttelnd das Fenster, denn sobald eine der Mägde kam, um nach Philomène zu sehen, würde das Fenster unweigerlich wieder geschlossen werden, um schädliche Säfte fernzuhalten. Und obwohl der Arzt sicher war, dass solche Säfte existierten, wusste er doch auch, dass die frische Luft mehr Gutes bewirken würde, als die Ausdünstungen von Paris Schaden anrichten konnten.
Er hob Philomènes Decke und schob behutsam ihr Hemd nach oben, um den Verband über ihrer Wunde zu untersuchen. Philomène öffnete ihre Augen zu einem schmalen Schlitz, als er dies tat. Er lächelte ihr aufmunternd zu. »Die Wundflüssigkeit ist nach wie vor klar. Das ist ein sehr gutes Zeichen.«
Sie sagte nichts, sondern nickte nur leicht.
Dann beugte Alejandro sich über sie und hielt seine Nase dicht an ihren Leib. Er sog den Geruch ein, der von dem Verband ausging. Er überlegte kurz, dann sagte er: »Ich kann keinen Geruch feststellen, der auf Wundbrand deutet. Es ist ein wahres Wunder, aber du bist dabei zu genesen.«
Sie drehte den Kopf zur Seite, und er konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber er wusste, dass es Verzweiflung zeigte. Sanft umfasste er ihr Gesicht mit einer Hand und drehte es zu sich, sodass sie ihn ansehen musste.
»Deine Traurigkeit bereitet mir Sorge«, sagte er. »Du musst frohen Mutes sein, nur das fördert deine Genesung.«
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. »Wie sollst du verstehen, welche Scham ich empfinde? Ich bin keine Frau mehr. Die Teile, die mich dazu machen, wurden mir genommen.«
»Und du bist am Leben. Muss ich dich daran erinnern, dass
womöglich alle Säfte deines Körpers davongeflossen wären, hätte de Chauliac nicht so gehandelt, wie er es tat? Wenn dein Körper so aus dem Gleichgewicht geraten wäre, hätte das gewiss zu deinem Tod geführt. Ich werde ihm für das, was er tat, bis in alle Ewigkeit dankbar sein.«
Er strich ihr übers Haar. »Du bist ganz und gar die Frau, die ich will und brauche«, sagte er. Er wandte sich kurz ab und nahm das Kind auf. Dann trat er damit wieder an ihr Bett und hielt es vor sie.
Philomènes Miene hellte sich unverzüglich auf.
»Sieh, was du mir geschenkt hast. Ariella Meryle.«
Philomène streckte die Hand aus und schlug das Tuch zur Seite. »Der Löwe Gottes, der mit seinem
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