Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
jeden auf den Tisch gekommen. Eine Frau war als Kind von ihren Eltern verlassen worden, einer der Männer hatte seinen Sohn bei einem Unglück auf See verloren. Einer der Bautechniker bekam auf halbem Wege Atemprobleme. Es war beängstigend, aber wir waren glücklicherweise mit zusätzlichen Sauerstofftanks ausgerüstet worden, die es uns ermöglichten, ihm dabei zu helfen, seine Atmung wieder auf Vordermann zu bringen. Dennoch blieb er für den Rest des Weges unser Sorgenkind.
Als wir am fünfzehnten Tag im Raum um Sanctum ankamen, brach Jubel aus. Ich hätte ein Patrouillenschiff anfordern können, um den erkrankten Bautechniker abholen zu lassen, doch er bestand darauf, auf der Belle-Marie zu bleiben. Ich war einverstanden, und am nächsten Tag erlitt er einen weiteren Anfall von Atemnot. Zwar konnten wir ihn unversehrt dem medizinischen Personal übergeben, doch hatte sein Zustand jedem Einzelnen von uns einen gehörigen Schrecken eingejagt.
Während ich im Orbit über Sanctum war, erreichte uns eine Transmission vom Parkweg 17, in der Kilgore seinen Freunden innerhalb der Konföderation für die Unterstützung dankte. Dabei schloss er zwar die Flotte mit ein, sprach aber im Grunde nur zu den Privatpersonen, die ausgeschwärmt waren, um ihm zu Hilfe zu kommen. Ich fragte mich, ob er schlau genug gewesen war, eine ähnliche Botschaft in die Ansammlung zu schicken.
Sanctum war natürlich eine Baustelle. Selbst die Raumstation war noch im Bau. Die Welt hatte keinen Mond, weshalb kaum damit zu rechnen war, dass sie für die Menschen als dauerhafter Lebensraum in Frage kam. Aber es gab Ozeane, weite Ebenen und Wälder. Ich bekam die Welt nur aus dem Orbit zu sehen, also konnte ich nicht viel ausmachen. Auf der dunklen Seite waren Lichter zu erkennen, und man schickte mir eine virtuelle Sanctum-Tour. Ich hatte nicht mehr als einen nur flüchtigen Blick dafür. Hast du einen Wald gesehen, hast du alle gesehen.
Ich wäre gern ein paar Tage geblieben. Wäre gern für eine Weile aus dem Schiff herausgekommen. Aber ich gehörte nun zu einem festen Dienstplan, und auf Samuels warteten bereits die nächsten Passagiere auf mich. Also streckte ich mich, während die Belle gewartet wurde, für ein paar Stunden auf einem echten Bett aus, und dann war ich auch schon wieder auf dem Weg zurück nach Salud Afar.
Auf die Leute, die Menschen nach Sanctum brachten, wartete ein endloser Strom. Ich nahm an, für mich würde es drei Jahre lang nichts anderes im Leben geben, zwei Wochen in einem überfüllten Schiff, zwei Wochen in einem leeren, Leute fortschaffen, die alles hinter sich ließen und oft auch alle, die sie liebten.
Ich fragte mich, ob Wexler vielleicht doch Recht gehabt hatte.
Als ich zur Samuels zurückkehrte, war von Alex weit und breit nichts zu sehen. Ich hinterließ eine Grußbotschaft: Hallo, schade, dass wir uns verpasst haben, wir sehen uns beim nächsten Mal. Sie gaben mir beinahe drei Stunden Zeit, mich zu erholen, und dann stand ich wieder im Fluggastbereich und nahm die nächste Gruppe Passagiere in Empfang. Dieses Mal waren es Kinder. Alle höchstens vier Jahre alt, dazu zwei Mütter. Sie schrien und weinten beim Abschied, aber irgendwann hatten wir sie alle an Bord. Ich atmete tief durch und startete.
Die Kinder weinten rund um die Uhr. Die Mütter taten, was sie konnten, und bewiesen, so dachte ich, eine unendliche Geduld. Ich versuchte zu helfen, soweit ich nur konnte. Aber niemand von uns wusste, wie er die anhaltende Hysterie mildern sollte.
Am dritten Tag hatten beide Mütter blutunterlaufene Augen. »Es muss eine besser Möglichkeit geben«, sagte ich zu ihnen. Dann kam ich auf den Gedanken, dass ein paar Katzen hilfreich sein könnten, und nahm mir vor, eine entsprechende Eingabe zu machen.
Die ältere der beiden Mütter, eine hübsche Blondine, erklärte, sie müssten es schließlich nur zwei Wochen lang durchhalten. Und die andere löste sich unverzüglich in Tränen auf.
Nachdem ich sie abgeliefert hatte, schickte ich eine Botschaft an die Leute, die für die Koordinierung der Evakuierung zuständig waren, forderte meine Katzen an und informierte die Verantwortlichen, dass es, wenngleich ich die Hintergründe für die vorrangige Rettung der Kinder begreifen könnte, einfach grausam sei, Kinder von ihren Müttern zu trennen.
Ich wusste, würden sie mir überhaupt antworten, was eher unwahrscheinlich war, dann würden sie mich nach einer Alternative fragen. Und natürlich hatte ich keine
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