Alex Rider 7: Snakehead
Treppe führte zu einem kurzen Korridor im ersten Stock; dort gab es nur eine Tür. Eine Überwachungskamera hatte den Kahlköpfigen auf seinem Weg nach oben verfolgt. Eine zweite beobachtete ihn, als er sich auf eine merkwürdigeMetallplatte vor der Tür stellte und durch eine in die Wand eingesetzte Glasscheibe spähte. Hinter dem Glas befand sich ein biometrischer Scanner, der das einzigartige Muster der Blutgefäße seiner Netzhaut registrierte und mit den in einem Computer unten am Empfangstisch gespeicherten Daten abglich. Hätte nun ein feindlicher Agent versucht, in das Zimmer zu gelangen, wäre durch die metallene Bodenplatte ein tödlicher Stromstoß von zehntausend Volt gejagt worden. Aber dieser Mann war kein Feind. Er hieß Zeljan Kurst und war ein Gründungsmitglied von Scorpia. Die Tür glitt auf und er trat ein.
Das Zimmer war lang und schmal, die drei Fenster waren zugezogen, die weißen Wände kahl. Um einen Glastisch standen Ledersessel, nirgends waren Papier, Schreibgeräte oder irgendwelche Dokumente zu sehen. Denn von diesen Besprechungen wurden grundsätzlich keine Aufzeichnungen gemacht. Nichts Schriftliches. Sechs Männer warteten, bis er seinen Platz am Kopfende des Tisches eingenommen hatte. Nach der Katastrophe mit der Operation Unsichtbares Schwert waren nur noch sieben von ihnen übrig.
»Guten Morgen, meine Herren«, begann Kurst. Er sprach mit einem fremden mitteleuropäischen Akzent. Das letzte Wort hatte sich wie »Cherren« angehört. Alle Männer am Tisch waren gleichberechtigte Partner, aber Kurst war zurzeit der Vorsitzende. Für jedes neue Projekt wurde ein anderer Leiter ausgewählt.
Niemand antwortete. Diese Leute waren keine Freunde. Außerhalb der jeweils anstehenden Arbeit hatten sie einander nichts zu sagen.
»Wir haben einen höchst interessanten und anspruchsvollenAuftrag erhalten«, fuhr Kurst fort. »Ich brauche Sie wohl kaum daran zu erinnern, dass unser Ruf durch das Scheitern der letzten Aktion schwer beschädigt wurde. Dieses neue Projekt wird uns die erheblichen finanziellen Verluste ersetzen, die wir in Zusammenhang mit Unsichtbares Schwert erlitten haben, und es wird uns wieder ins Geschäft bringen. Es geht um Folgendes: Wir sollen acht außerordentlich wohlhabende und einflussreiche Personen beseitigen. In fünf Wochen werden sie alle an einem Ort versammelt sein und das bietet uns die ideale Gelegenheit. Wie wir vorgehen, bleibt uns überlassen.«
Er sah in die Runde und wartete auf eine Reaktion. Zeljan Kurst, in den Achtzigerjahren leitender Polizeibeamter in Jugo slawien, war bekannt gewesen für seine Liebe zur klassischen Musik – vor allem Mozart – und für seine übertriebene Brutalität. Man erzählte sich, er habe seine Gefangenen mit Opern oder Sinfonien als Hintergrundmusik verhört, und Leute, die die Folter überlebt hatten, hätten das betreffende Musikstück ihr Leben lang nicht mehr ertragen können. Aber er hatte geahnt, dass sein Land eines Tages auseinanderbrechen würde, und hatte daher rechtzeitig gekündigt und die Seiten gewechselt. Er hatte keine Familie, keine Freunde, keine Heimat. Er brauchte Arbeit und er wusste, dass Scorpia ihn reich machen würde.
»Sie werden in der Zeitung gelesen haben«, fuhr er fort, »dass der G-8-Gipfel dieses Jahr im November in Rom stattfinden wird. Dort kommen die Regierungschefs der acht mächtigsten Wirtschaftsnationen zusammen, reden viel, lassen sich fotografieren, speisen viel und teuer und lassen sich ihren Wein schmecken ... und tun absolut nichts. Die interessieren uns nicht. Sie spielen keine Rolle.
Gleichzeitig aber wird auf der anderen Seite der Welt eine zweite Konferenz stattfinden. Sie soll dem G-8-Gipfel Konkurrenz machen, und man könnte das Ganze bloß für einen Reklamegag halten. Dennoch erregt diese Veranstaltung bereits mehr Aufmerksamkeit als der G-8-Gipfel. Die Politiker dort werden kaum noch beachtet. Die Augen der Welt richten sich auf Reef Island, eine Insel vor der Nordwestküste Australiens in der Timorsee.
Die Presse hat diesem Alternativgipfel einen Namen gegeben: Reef-Treffen. Eine Gruppe von acht Personen wird dort zusammenkommen, Sie werden sie alle kennen. Einer von ihnen ist der Popsänger Rob Goldman. Er hat weltweit Millionen für wohltätige Zwecke gesammelt. Ein weiterer ist ein Milliardär, den viele für den reichsten Mann des Planeten halten. Er hat ein ungeheures Imperium aufgebaut, verschenkt sein Vermögen jetzt aber an Entwicklungsländer. Dann
Weitere Kostenlose Bücher