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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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wieder das Wort: »Sie wollte zum dritten Mal Geld, richtig?«
    »Nein. Das stimmt überhaupt nicht. Um eine Hausaufgabe ist es gegangen. Ich erinnere mich im Moment nicht mehr genau, aber …«
    »Sie wollte mehr Geld. Viel mehr Geld, dieses Mal.«
    »Unsinn!«, bellte er. »Unsinn! Kompletter Unsinn!«
    »Herr Plakowsky, bitte …«
    »Ich verlange einen Anwalt«, sagte er und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust.
    Als er auch nach mehreren Anläufen und Provokationen immer noch schweigend vor sich hinstierte, erhob ich mich schließlich. »Ich nehme Sie fest wegen des dringenden Verdachts, Lea Lassalle getötet zu haben«, sagte ich und klärte ihn über seine Rechte auf.

37
    Die erste Vernehmung Werner Plakowskys begann am Dienstag, dem siebenundzwanzigsten Dezember, um elf Uhr, auf den Tag genau ein Jahr nach seinem unseligen Unfall. Bereits am Vortag, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, war der Verdächtige dem Haftrichter vorgeführt worden, der ohne Probleme U-Haft angeordnet hatte.
    Ich selbst hatte den Tag so verbracht, wie ich es mir erträumt hatte: mit Lesen, Essen und Nichtstun und Lesen. Freundlicherweise hatte es den ganzen Tag über abwechselnd geregnet oder geschneit, sodass ich nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben musste, weil ich die meiste Zeit faul herumlag. Selbst um die Mittagszeit hatte man noch elektrisches Licht zum Lesen gebraucht. Es war einfach himmlisch gewesen.
    Theresas Buch hatte ich fast zur Hälfte geschafft. Nachdem ich beim ersten Anlauf nicht über die ersten Seiten hinausgekommen war, packten mich die Geschichten, die sie erzählte, dieses Mal von Beginn an. Im ersten Kapitel ging es um die Bauernaufstände des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Die aufbegehrenden Bauern, die in kargen, kalten Hütten bei kalorienarmer Nahrung vor sich hin vegetierten, waren aus Sicht der damaligen Obrigkeit selbstverständlich Terroristen gewesen.
    Obwohl sie selbst in gesichertem Wohlstand lebte, schaffte Theresa es verblüffend gut, die Bitterkeit wahrer Armut fühlbar werden zu lassen. Die aufgestaute Wut, die sich immer und immer das falsche Ventil suchte. Anstelle der Fürsten und deren Büttel wurden die Frauen geprügelt, Kinder sowieso. Und die, denen diese Prügel galten, saßen in ihren gut geheizten Palästen und ernährten sich üppig. Als ich zur Märzrevolution kam, in der Karlsruhe, meine alte Heimatstadt, eine wichtige Rolle spielte, stellte ich fest, dass es draußen inzwischen wieder dunkel geworden war und ich vom vielen Lesen nun doch ein wenig Kopfschmerzen hatte.
    Von der Autorin selbst hörte man wenig, seit ihr Handy den Dienst quittiert hatte. Zweimal hatte sie von einem Festnetztelefon angerufen, um zu melden, dass es ihr gut gehe und sie mich vermisse. Weder sie noch ihr Mann trieb Wintersport oder liebte den Schnee. Man genoss stattdessen den Luxus eines Viersternehotels, schwamm in gut beheizten Pools, transpirierte in edlen Saunen, machte kleine Spaziergänge in der Sonne, speiste in feinen Restaurants.
    Bei uns hatte es mittags Pfannkuchen mit Spinat gegeben, über eine Sauna verfügten wir nicht, und die Sonne schien nicht vorzuhaben, in absehbarer Zeit die Kurpfalz wieder zu bescheinen. Am ersten Feiertag hatte ich noch einmal meine Mutter angerufen. Wir hatten die üblichen Belanglosigkeiten ausgetauscht. Kurz hatte ich auch mit meinem Vater gesprochen, der wie üblich nicht wusste, was er erzählen sollte, und schließlich hatte ich mit dem angenehmen Gefühl aufgelegt, ein braver Sohn zu sein. Ein Weilchen hatte ich auch über eine Weltklasse-Hi-Fi-Anlage zum Schnäppchenpreis nachgedacht, mich aber schließlich schweren Herzens dagegen entschieden. Der Platz, das Geld, und wie oft kam ich wirklich dazu, mir in Ruhe eine Platte von Anfang bis zum Ende anzuhören?
    Plakowskys Anwalt, der bei der Vernehmung anwesend war, hatte gleich am Morgen Widerspruch gegen die Untersuchungshaft eingelegt und verfolgte ansonsten eine leicht durchschaubare Strategie.
    »Herr Plakowsky wird nichts zur Sache aussagen und nichts unterschreiben«, erklärte er pathetisch, während der blasse Lehrer ausdruckslos auf den Tisch glotzte. »Seine Aussage vorgestern hat mein Mandant unter enormem psychischem Stress gemacht. Er stand unter Schock, deshalb ist das alles vollkommen wertlos. Diese Geschichte wird übrigens noch ein Nachspiel haben. So kann man in diesem Lande nicht mit Menschen umgehen. So nicht, Herr Gerlach!«
    »Immerhin hat Herr Plakoswky

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