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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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– oder nein, kommen Sie doch am Abend zu mir zum Essen. Um halb acht. Ist es Ihnen recht?»
    «Ja – das lässt sich einrichten. Was ist los? Etwas mit Ralph?»
    Ich weiß nicht, warum ich so fragte – vielleicht, weil es sich so oft um Ralph gehandelt hatte.
    Ackroyd starrte mich verblüfft, fast verständnislos an.
    Ich begann zu verstehen, dass wirklich etwas sehr Schlimmes vorgefallen sein musste.
    Nie vorher hatte ich Ackroyd so verstört gesehen.
    «Ralph?», sagte er unsicher. «O nein, Ralph nicht. Ralph ist in London. – Verdammt! Da kommt die alte Miss Ganett. Ich möchte von ihr nicht auf dieses grässliche Ereignis angesprochen werden. Ich sehe Sie also heute Abend, Sheppard. Um halb acht.»
    Ich nickte; er eilte fort, und ich blickte ihm nachdenklich nach. Ralph in London? Er war doch ganz sicher gestern Nachmittag in King’s Abbot gewesen. Sollte er noch gestern Abend oder heute Morgen früh abgereist sein? Und doch erweckte Ackroyds Art und Weise einen ganz anderen Eindruck. Er sprach, als wäre Ralph seit Monaten nicht hier gewesen.
    Ich hatte nicht länger Zeit, darüber nachzudenken. Wissbegierig stürzte Miss Ganett auf mich zu.
    War das nicht traurig mit der armen, guten Mrs. Ferrars? Viele Leute behaupten, dass sie seit Jahren nachweislich Betäubungsmittel genommen habe. So bösartig reden die Leute. Und das Schlimmste ist, dass in diesen wilden Behauptungen immer irgendwo ein Körnchen Wahrheit steckt. Ohne Feuer kein Rauch! Es wird auch behauptet, dass Mr. Ackroyd dahintergekommen sei und deshalb das Verlöbnis gelöst habe – denn verlobt waren sie. Sie, Miss Ganett, habe dafür sichere Beweise. Ich wisse natürlich alles genauer – Ärzte wüssten immer alles, nur sagten sie es nie, nicht wahr?
    Und all dies mit scharfem, prüfendem Blick, um die Wirkung ihrer Andeutungen zu beobachten.
    Glücklicherweise hatte ich durch ein langes Zusammenleben mit Caroline gelernt, unerschütterlich Haltung zu bewahren und mit unverbindlichen Redensarten auszuweichen.
    Ich beglückwünschte daher Miss Ganett, dass sie in diesen üblen Klatsch nicht mit einstimmte, was ich für einen guten Gegenzug hielt. Das verwirrte sie, und ehe sie sich fassen konnte, war ich weitergegangen.
    Tief in Gedanken versunken, kam ich nachhause, wo im Sprechzimmer bereits mehrere Patienten warteten.
    Als letzte Patientin erhob sich eine Dame, die ich in ihrer Ecke beinahe übersehen hätte. Ich blickte sie überrascht an. Warum ich so erstaunt war, weiß ich nicht. Vielleicht, weil Miss Russell einen so merkwürdigen Eindruck machte.
    Ackroyds Haushälterin ist eine hochgewachsene, hübsche Frau, die unnahbar aussieht. Sie blickt streng und hält die Lippen fest geschlossen. Wenn ich ein Haus – oder Küchenmädchen wäre, würde ich laufen, was mich meine Beine trügen, ihr tunlichst aus dem Weg gehen.
    «Guten Morgen, Doktor Sheppard», sagte Miss Russell. «Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mein Knie untersuchen wollten.»
    Ich sah es mir an, muss aber sagen, dass ich nachher nicht klüger war. Miss Russells unklarer Bericht über ihre Schmerzen war so wenig überzeugend, dass ich eine andere, weniger rechtschaffene Frau der Vorspiegelung falscher Tatsachen verdächtigt hätte. Einen Augenblick schoss es mir durch den Kopf, ob Miss Russell nicht diese Knieverletzung erfunden habe, um mich über Mrs. Ferrars’ Tod auszuhorchen; doch ich sah bald ein, dass ich sie hierin wenigstens verkannt hatte. Sie streifte die Tragödie nur kurz.
    «Nun, ich danke Ihnen vielmals für das Einreibemittel, lieber Doktor», sagte sie schließlich. «Allerdings glaube ich nicht, dass es mir viel helfen wird.»
    Ich glaubte es auch nicht, doch widersprach ich pflichtgemäß. Schließlich konnte es keinesfalls schaden, und es ist nötig, sich für seinen Beruf einzusetzen.
    «Ich glaube an keine dieser Arzneien», meinte Miss Russell, während ihre Augen geringschätzig über meine Flaschenreihe schweiften. «Arzneien richten oft viel Unheil an. Nehmen Sie zum Beispiel das Kokainschnupfen.»
    «Nun, was das anbetrifft …»
    «Es kommt in den besten Kreisen vor.»
    Ich bin überzeugt, dass Miss Russell in den besten Kreisen viel besser Bescheid weiß als ich. Ich versuchte daher nicht, mit ihr darüber zu streiten.
    «Sagen Sie mir nur eines lieber Doktor», fuhr Miss Russell fort. «Wenn jemand wirklich diesem Laster verfallen ist, gibt es da keine Hilfe?»
    Eine derartige Frage kann nicht so kurzerhand beantwortet werden. Ich

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