Alibi
Zuerst der Telefonanruf. War Ralph Paton wirklich der Mörder, so wäre der Anruf sinn-und zwecklos gewesen. Paton schied also für mich als Mörder aus. Weiter: Vom Hause aus war nicht angerufen worden, und doch befand sich meiner Überzeugung nach der Schuldige unter denen, die an jenem tragischen Abend zugegen gewesen waren. Also musste ein Mitwisser des Mörders den Anruf vom Bahnhof aus erledigt haben.
Warum aber überhaupt ein Telefonanruf? Nun, der Anruf bewirkte, dass der Mord noch am gleichen Abend entdeckt wurde und nicht erst, wie sonst anzunehmen war, am folgenden Morgen. Darin stimmen wir doch überein?»
«Ja …», gab ich zu. «Da Ackroyd nicht mehr gestört zu werden wünschte, hätte wahrscheinlich niemand mehr an jenem Abend das Arbeitszimmer betreten …»
«Ausgezeichnet! Es geht vorwärts, nicht wahr? Worin konnte aber nun der Vorteil bestehen, dass der Mord beinahe sofort entdeckt wurde? Für mich gab es da nur eine Antwort: Der Mörder wollte unbedingt beim Aufbrechen der Tür, beim Auffinden des Toten anwesend sein. Und warum dies? Die Beantwortung dieser Frage führt uns zu der zweiten Tatsache – zu dem Sessel, der von der Wand weggerückt war. Inspektor Raglan erschien dies unwichtig, mir hingegen äußerst bedeutungsvoll.
Sie werden sich erinnern, dass nach Parkers Angaben der Stuhl nicht an seinem gewöhnlichen Platz, sondern in gerader Linie zwischen Tür und Fenster stand …»
«Dem Fenster?», fragte ich schnell.
«Ja. Zuerst glaubte ich, der hohe Großvaterstuhl sei vorgerückt worden, um das Fenster zu verdeckten, dann aber überzeugte ich mich, dass er nur jenen Teil, der vom Fensterbrett zum Boden reichte, den Blicken entzog. Vor dem Fenster stand aber ein kleines Tischchen mit Büchern und Zeitschriften – Sie werden sich wohl daran erinnern –, das durch den vorgerückten Stuhl vollständig verdeckt wurde. Sofort kam mir ein nebelhafter Verdacht.
Angenommen, auf dem Tischchen stand etwas, was nicht gesehen werden sollte – irgendetwas, das der Mörder dorthin gestellt hatte und das er nach der Tat nicht gleich entfernen konnte, das aber unbedingt verschwinden musste, sobald das Verbrechen entdeckt wurde. Was lag da näher als ein Telefonanruf, der dem Mörder die Gelegenheit bot, zur Stelle zu sein, wenn der Leichnam gefunden wurde.
Vier Personen waren vor der Polizei am Tatort. Sie, Parker, Major Blunt und Mr. Raymond. Parker schied für mich sofort aus. Mit oder ohne Telefonanruf wäre er sowieso als einer der Ersten am Schauplatz des Verbrechens gewesen. Er hatte auch den vorgerückten Stuhl erwähnt. Parker war daher entlastet, und ich hatte mich mit Blunt und Raymond zu befassen. Was aber konnte auf dem Tischchen gestanden haben? Ich zerbrach mir den Kopf, bis die Erwähnung des beabsichtigten Kaufes eines Diktiergeräts mir Klarheit brachte. Sie alle stimmten vor einer halben Stunde meiner Theorie bei, aber eine wesentliche Einzelheit scheint Ihnen allen entgangen zu sein. Wenn Mr. Ackroyd an jenem Abend ein Diktiergerät benutzte, warum wurde dann kein Diktiergerät gefunden?»
«Daran hätte ich nie gedacht», gab ich zu.
«Wir wissen, dass Mr. Ackroyd ein solcher Apparat geliefert wurde. Wo ist er denn geblieben? Stand er auf dem Tischchen? Hatte ihn der Mörder nach der Entdeckung der Tat heimlich entfernt? Diese Möglichkeit bestand, denn die Aufmerksamkeit der Anwesenden richtete sich ausschließlich auf den Toten. Aber ein Diktiergerät lässt sich nicht in die Hosentasche stecken, also muss irgendein Behälter vorhanden gewesen sein, in dem es untergebracht werden konnte.
Sie sehen, worauf ich hinauswill. Die Person des Mörders wird deutlicher. Eine Person, die sofort auf dem Schauplatz erscheint, die aber vielleicht nicht zugegen gewesen wäre, wenn der Mord erst am folgenden Morgen entdeckt worden wäre! Eine Person, die einen – Behälter bei sich hatte, in dem ein Diktiergerät versteckt werden konnte!»
«Warum aber das Gerät entfernen?», unterbrach ich ihn. «Was sollte das für einen Zweck haben?»
«Sie sind wie Mr. Raymond, mein Freund, und nehmen als erwiesen an, dass Ackroyds Stimme um halb zehn in das Diktiergerät sprach. Aber betrachten Sie einmal diese nützliche Erfindung. Sie diktieren in den Apparat, nicht wahr, und etwas später schaltet ein Sekretär oder eine Stenotypistin ihn ein, und die Stimme spricht von neuem.»
«Sie meinen …?», keuchte ich.
«Ja, das meine ich. Um halb zehn war Mr. Ackroyd schon tot. Zu dieser
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