Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
versickerten in seinem dichten Fell.
»Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid.«
Die Tränen liefen ihr in Strömen über das Gesicht, und mit einem Schlag war all ihre Wut verraucht, als sie mit ansehen musste, wie ihr einziger Freund unter Schmerzen um Atem rang. Es dauerte einige lange Augenblicke, bis Audrey sich auf die Beine mühte und panisch das Telefonschränkchen durchsuchte, achtlos Werbezettel und alte Broschüren herausreißend auf ihrer verzweifelten Suche nach den Gelben Seiten.
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, wiederholte sie immer und immer wieder, während sie versuchte, sich auf die winzige Schrift zu konzentrieren und einen Nottierarzt ausfindig zu machen. Schwer klatschten ihre Tränen auf die Seiten. Das dünne gelbliche Papier saugte sie auf wie Löschpapier, und die Nummern darauf verschwammen vor so viel Nässe.
Alice
D as war der schlimmste Tag meines Lebens, dachte Alice niedergeschlagen, als sie neben dem Mann ihrer Träume im Bett lag.
Obwohl sie sich vollkommen geborgen fühlte, seitlich an John gekuschelt, der sie umarmte und sich an ihren Rücken schmiegte, wusste Alice nicht, ob es das alles wert war. Natürlich war John das alles wert. Er war der wunderbarste Mann, den sie je kennengelernt hatte, und der Gedanke, ihn zu verlieren, nahm ihr fast die Luft zum Atmen. Aber war sie es wert? Kam ihr eigenes selbstsüchtiges Glück vor dem von Audrey?
Alice hatte das Gesicht ihrer Chefin im sanften Kerzenlicht bei Beckwith’s gesehen, und sie hatte gesehen, wie etwas in ihr zerbrach.
Sie hatte ihr nachlaufen wollen, Johns Warnungen in den Wind geschlagen und war ihr hinterhergeeilt, hinaus in die Nacht. Aber Audrey war wie vom Erdboden verschluckt.
»Es ist besser so«, hatte John gesagt. »Das mit uns ist schließlich nicht irgendeine belanglose Affäre. Früher oder später hätte sie es ohnehin erfahren.«
»Aber ich wollte nicht, dass sie es so herausfindet. Ich wollte …«
»Was denn?«, hatte John freundlich gefragt. »Es gibt einfach keine schonende Art, ihr die Wahrheit beizubringen. Wenigstens brauchen wir uns jetzt nicht mehr zu verstecken und können es endlich genießen, zusammen zu sein.«
Aber wie sollte sie genießen, mit John zusammen zu sein, wenn Audrey solche Höllenqualen litt? Es schien ihr alles so unfair.
»Morgen …«, setzte sie an.
»… wird ein schwerer Tag«, stimmte John ihr zu.
»Was soll ich denn jetzt machen? Wie immer zur Arbeit gehen? Zu Hause bleiben? Was ist das Beste?«
»Das musst du selbst wissen.«
»Sicher hasst sie mich jetzt.«
»Sicher hasst sie sich selbst am meisten. Das ganze Theater hat sie nämlich letztendlich nur sich allein zuzuschreiben. Meine Beziehung zu Audrey war von Anfang an eine rein geschäftliche. Aber sie wollte darin etwas sehen, das nicht da war.«
»Sie war verliebt.«
»Nein, war sie nicht. Sie ist genauso wenig in mich verliebt wie ein Teenie-Mädel in den Popstar, den es auf MTV anhimmelt. Sie kennt mich ja gar nicht richtig.«
Alice zog Johns Arm noch fester um sich und wünschte, er könne sie vor dem morgigen Tag beschützen. Noch nie hatte sie ihr eigenes Glück über das anderer gestellt. Woher sollte sie also wissen, dass das zu bekommen, was man sich wünschte, nicht immer eitel Sonnenschein und ungetrübte Freude bedeutete? In Wirklichkeit waren die Dinge nie nur schwarz oder weiß. Und nun lernte sie, dass auch die Freude eine hässliche Kehrseite haben konnte.
Alice seufzte schwer.
Sie würde morgen so früh zur Arbeit gehen, dass sie mit Audrey reden konnte, ehe die anderen ins Büro kamen. Sie würde sich entschuldigen. Und dann kündigen. Das war das Mindeste, was sie tun konnte. Schließlich hatte sie den großen Preis schon gewonnen. Also konnte sie wenigstens so rücksichtsvoll sein, Audrey ihre Arbeit zu lassen. Das war das Mindeste.
Ach du lieber Himmel , dachte sie unvermittelt. Ich werde bei Table For Two kündigen.
Audrey
A udrey hatte kein Licht gemacht. Im Dunkeln hockte sie stocksteif auf der Kante ihres Sessels, noch im Mantel, die Handtasche über der Schulter. Es war vier Uhr früh.
Jetzt, da sie sich endlich setzen konnte, merkte sie erst, wie erschöpft sie war. Sie war so müde wie noch nie zuvor in ihrem ganzen Leben, dennoch ließ sie nicht zu, dass ihr matter Körper in die einladenden Kuhlen ihres Sessels sank. Das konnte sie einfach nicht. Sie verdiente nicht das kleinste bisschen Trost und Bequemlichkeit, nicht mal von einem
Weitere Kostenlose Bücher