Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
Jemanden, mit dem man eine Familie gründen kann. Aber der fällt einem nun mal nicht in den Schoß, und ich kann nicht einfach die Augen zukneifen und es dem Schicksal überlassen. Du kennst mich doch; ich gehe ungern Risiken ein. Und unter keinen Umständen werde ich es riskieren, noch älter zu werden, ohne etwas zu unternehmen – riskieren, dass mein Gesicht runzlig wird, meine Knie knubbelig, meine Fruchtbarkeit den Bach runtergeht und ich immer noch Single bin. Ich habe es satt, mir den Kopf an Mauern einzurennen.«
Danach wurde es still. Die beiden Frauen schauten sich an, Lou mit tiefschwarz umrandeten, vor Zorn funkelnden Augen, Kate mit von dezentem Bobbi-Brown-Make-up betontem ernstem und entschlossenem Blick. Aus den Augenwinkeln sah Kate, wie der Besitzer des Hinterteils seinen Stuhl zurückschob, lautstark verkündete, er müsse mal »die Python würgen«, nur um dann über seine Aktentasche zu stolpern und der Länge nach mit dem Gesicht nach unten auf die Holzdielen zu knallen. Seine Kumpels röhrten vor Lachen. Lou wandte den Blick ab.
»Na ja«, sagte sie, griff nach ihrem Glas und trank es aus, »du hast womöglich die Nase voll davon, dir den Kopf an Mauern einzurennen, aber ich stoße mir gerne gelegentlich den Kopf an einem Betthaupt. Heute Nacht an seinem, wenn er sich nicht allzu dämlich anstellt.« Und damit nahm sie ihre Handtasche und marschierte schnurstracks zur Theke, wobei sie den Barkeeper fixierte wie ein Falke, der eine kleine plüschige Feldmaus ins Visier genommen hat.
»Noch mal das Gleiche?«, rief sie Kate zu, während sie ihr Portemonnaie rauszog und zum Angriff überging.
Seufzend schüttelte Kate den Kopf und griff zu ihrem Handy. Im Adressbuch suchte sie die Nummer für den Taxiruf. Auf einmal wünschte sie sich nichts sehnlicher, als endlich zu Hause im Bett zu liegen. Sie schaute auf. Und tatsächlich, Lou hatte ihre Hand bereits auf die Brust des Barkeepers gelegt und spielte anzüglich mit einem Schnapsglas. Es war höchste Zeit, nach Hause zu gehen. Rasch schlüpfte sie in ihren Mantel.
Audrey
U m Punkt halb neun rauschte Audrey mit wehendem Mantel durch die Eingangstür der Dating-Agentur Table For Two . Wie üblich war sie die Erste, und ihr blieb genau eine halbe Stunde Zeit, sich auf einen neuen anstrengenden Tag an vorderster Front der Partnervermittlung einzustellen.
Hurtig setzte sie den Wasserkocher auf und ließ den Blick durch das leere Büro schweifen. Diese Tageszeit war ihr die liebste, lange bevor sich Mitarbeiter und Klienten die Klinke in die Hand gaben. Mit dem Finger fuhr sie über die Schreibtischplatte, um sich zu vergewissern, dass die Putzkolonne ganze Arbeit geleistet hatte. Ihre Fingerspitze war makellos rosa. Mit einem Mal fiel ein optimistischer Januarsonnenstrahl durchs Fenster und tauchte den ganzen Raum in gleißendes Licht. Was für eine schöne Begrüßung am Dienstagmorgen!
Audrey schaltete ihren Rechner ein und machte sich daran, ihren Schreibtisch aufzuräumen. Unordnung am Arbeitsplatz konnte sie nicht ausstehen. »Sauberkeit und Ordnung sind das halbe Leben«, hatte ihr Vater immer gesagt. Er war Koch bei der Royal Navy gewesen, und vermutlich hatte sich sein Ratschlag auf die Hygiene am Arbeitsplatz bezogen, aber für Audrey bedeutete er sehr viel mehr als das. Sie begann jeden Tag mit Aufräumen und Saubermachen.
Mit einundfünfzig Jahren und beachtlichen eins achtzig konnte man sie selbst mit viel gutem Willen nur als stämmig bezeichnen. Ihr Busen war weich und ausladend. Stützende Unterwäsche sorgte dafür, dass er selten bis gar nicht wogte. Dafür gingen die rundlichen Schultern ansatzlos in pummelige Oberarme über, die schwabbelten, wann immer sie sich bewegte. Die krisseligen orangeroten Haare thronten zerzaust über den bauernroten Wangen wie eine Ampel, die gleichzeitig Gelb und Rot anzeigte.
Audrey rührte den Kaffee um und zog eine Bilanz des gestrigen Abends. Die Veranstaltung im Holly Bush Hotel hatte nicht nur einen Haufen Eintrittsgelder in die Kasse gespült, sondern ihre Agentur zudem einem ganzen Saal vermittlungswilliger Singles nahegebracht, die begierig das Geheimnis zu ergründen versuchten, wie man den richtigen Ehepartner fand. Alice’ SMS zufolge (die zu öffnen Audrey mehrere enervierende Minuten gebraucht hatte) hatten sich außergewöhnlich viele neue Klienten gemeldet, die weitere Angebote der Agentur in Anspruch nehmen wollten. Und zwar nicht nur den Online-Dating-Service, sondern den
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