Alicia II
kaputtlachen.
Der Untersuchungsraum sah genauso aus, wie ihn der Absorber gezeichnet hatte. Langsam ärgerte ich mich darüber, daß die Baulichkeiten gar keine Überraschung boten. Cheryl reichte mich mit einiger Zartheit an einen Sicherheitsmann weiter. Er nahm mich im gleichen Geist in Empfang. Sie trat zur Seite, die Apparate taten ihre Schuldigkeit und stellten fest, daß ich nichts Verbotenes bei mir trug. Der Sicherheitsmann winkte mich mit einigem Stolz aus dem Durchleuchtungswürfel und sah zu Cheryl hin. Ich hatte den Test bestanden, und ihre Augen schienen in einem noch tieferen Braun zu leuchten.
»Worüber lächeln Sie?« fragte ich, nachdem sie einen Blick auf meine Testkarten geworfen hatte.
»Über nichts Besonderes. Das hier zeigt nur, daß Sie in erstklassiger körperlicher Kondition sind, und das gefällt mir.«
»Sie sind anscheinend gern sehr geradeheraus.«
»Das muß von meinem PR-Job kommen. Ich habe mit so vielen Leuten zu tun und dabei festgestellt, daß es am besten ist, immer gleich die Karten auf den Tisch zu legen.«
Wieder hatte ich das unheimliche Gefühl, daß diese Worte eine doppelte Bedeutung hatten.
»Nun«, meinte ich, »Leute, die selbst unverblümt sind, schätzen es meistens, wenn ihnen auf die gleiche Art geantwortet wird.«
»Ich vermute, daß das nicht ungewöhnlich ist, aber …«
»Ich beabsichtige, unverblümt zu sein. Ich will mich nicht von der Gruppe trennen und mit ihnen zu einem Schäferstündchen absondern. Ich mag keine bevorzugte Behandlung. Ich …«
»Hören Sie auf. Sie haben mich nicht ausreden lassen. Es mag ja viele Leute geben, die es schätzen, wenn ihre Unverblümtheit in der gleichen Art beantwortet wird, aber ich gehöre nicht dazu. Deshalb will ich einfach vergessen, was Sie gesagt haben. Jedenfalls habe ich nicht ein halbes Monatsgehalt dafür ausgegeben, unserm korrupten, knauserigen Küchenpersonal erstklassige Rippchen abzulocken, nur damit Sie mich abweisen. Ich will ein Schäferstündchen, wie Sie es nennen. Und zwar mit Ihnen. «
Mir schoß es durch den Kopf, ob Ben etwas dagegen haben würde, wenn ich gleich zu Beginn unserer Mission die Fremdenführerin erwürgte.
»Ich habe nicht viel für Frauen übrig. Ich bin ein …«
»Auch das steht in Ihrem Dossier. Aber ich glaube es nicht. Sie werden etwas für mich übrig haben.«
»Sie sind fest entschlossen, es nicht zu glauben, das meinen Sie in Wirklichkeit.«
»Sie haben recht. Ich bin fest entschlossen.«
»Sie sind eine richtige Hure, wissen Sie das?«
Mein Herz schlug schneller. Ich hoffte so sehr, daß die Beleidigung Cheryl abschrecken würde. Aber ihr Lächeln zeigte deutlich, daß ihr die Einstufung als Hure gar nicht unangenehm war.
»Wie ausführlich ist denn mein Dossier?« fragte ich.
»In einigen Abschnitten sehr ausführlich. Aber es geben so viele Abteilungen Berichte ab, daß es schwer ist, sie alle auf einen Nenner zu bringen.«
»Mir gefällt der Gedanke nicht, daß da ein Ordner voller falscher Informationen oder unrichtiger Schlußfolgerungen herumliegt.«
»Mir auch nicht. Das gefällt keinem von uns. Wissen Sie auch, daß eine Abteilung einen Bericht eingereicht hat, nach dem Sie Sympathien für die Sache der Ausgemusterten haben?«
Ich forschte in ihrem Gesicht nach einem Hinweis, ob sie mich wissen lassen wollte, ich stehe unter Verdacht. Im besonderen bei ihr. Aber sie hatte die Bemerkung hervorgesprudelt wie alles andere auch. Ich versuchte zu kontern, indem ich zustimmte: »Es gehört nicht viel dazu, Sympathie, wie Sie sagen, mit der Sache der Ausgemusterten zu haben.«
»Das ist wahr. Vielen von uns geht es so. Entschuldigen Sie mich, ich habe eine Aufgabe zu erfüllen, aber bleiben Sie bitte in meiner Nähe.«
Alle anderen waren mittlerweile untersucht worden und warteten darauf, daß die Führung weiterging. Cheryl gab einen in vielen Einzelheiten nicht korrekten Abriß der Entwicklung des Erneuerns und des allmählichen Entstehens von Zentren, in denen die Wunder stattfinden konnten.
»Das Washingtoner Zentrum gehört zu den drei ersten. Gewohnheitsmäßig ist es zum Repositum für sehr wichtige Leute geworden, für Leute wie Sie.« Unterdrücktes Gekicher seitens der Teilnehmer, von denen sich die meisten offenbar in ihre Führerin verliebt hatten. »Jetzt warten sie auf ihren Wiedereintritt in eine Welt, in der sie von neuem tätig werden können. Unter ihnen sind die prominentesten Künstler der letzten Jahre – ich meine natürlich
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