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Alle auf Anfang - Roman

Alle auf Anfang - Roman

Titel: Alle auf Anfang - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Zaplin
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da sein. Bestimmt wird sie da sein. Er greift nach dem Knipsschalter und löscht das Licht.
Fee
    Träumt.
    Ist durch das Rosentor gelaufen, das so weit geöffnet war, wie ein Arm lang ist, wie immer. Hat den Kindern auf der Wiese beim Spielen zugeschaut.
    Komm her, haben die Kinder sie gerufen, aber sie hat den Kopf geschüttelt und ist weitergelaufen, sie hat heute frei.
    Schwebt über der Wiese.
    Frei.
    Ein Schmetterling. Pfauenauge.
    Was für ein schönes Wort.
Mit Anselm beim Wein nach der Vorstellung
    Zum Glück gab es die Speisekarte.
    Sie saßen einander gegenüber an diesem Tisch, der gerade frei geworden war, als sie sich suchend durch das überfüllte Lokal drängten.
    »Bitte«, sagte die Kellnerin und räumte die leeren Gläser ab, und sie setzten sich, hastig und zögernd zugleich. Griffen, als könnten sie so einen Absturz verhindern, nach den Karten, die die Kellnerin ihnen reichte, verkrochen sich darin, lasen sich fest. Bunter Salatteller mit Putenbrust und Penne all’ Arabiata und Käse Oliven Crème Caramel.
    »Eigentlich habe ich gar keinen Hunger«, sagte Claudia und wollte die Worte wieder einfangen, als sie Anselms erschrockenen Blick sah. Natürlich hatte sie Hunger. Und wie. Sie konnte jetzt nur nichts essen.
    »Soll ich?«, fragte Anselm und zwang ihr ein Nicken ab. Jetzt hatte er zu tun, der Kellnerin winken, wieder und wieder, bis sie kam und seine Bestellung aufnahm und anerkennend dazu nickte und auf sein Nachfragen einen Wein empfahl und noch Wasser anbot, ja bitte, eine ganze Flasche gleich. Die Kellnerin nahm die Karten wieder mit, und jetzt lagen ihre Hände auf der Tischplatte. Verheilt, vernarbt.
    So waren sie eben aufeinandergetroffen, vor der Pförtnerloge am Bühneneingang. Anselm hatte Claudia sofort erkannt. Mehr noch: Er hatte mit ihr gerechnet. Hatte sich tatsächlich nicht getäuscht, als sein Blick während des dritten Aktes von der Bühne herab in ihre Augen fiel, die er seit zwanzig Jahren vergessen wähnte.
    »Du bist das«, hatte er zu ihr vor dem Pförtner gesagt, der angestrengt zur Seite blickte. Überflüssigerweise, natürlich war sie das, auch der Pförtner hatte das bemerkt, obwohl er sie nicht kannte, wer sollte sie denn sonst sein. Damit war Anselms Vorrat für diesen Moment erschöpft, und auch Claudia sah sich überrascht davon, dass sie nichts zu sagen wusste in diesem Augenblick. Ein Augenblick, den sie vor zwanzig Jahren noch so oft und mit der wachsenden Zahl an Jahren ohne Wiederbegegnung immer seltener in Gedanken durchgespielt hatte. Je länger er gedauert hatte, desto anstrengender war die Suche nach Worten in Gedanken. Es war Anselm, dem das Naheliegendste einfiel, die Rettung: »Gehen wir noch etwas trinken?«
    Der Wein kam. Anselm gab den Kenner, den blank gescheuerten Holztischen zum Trotz, ließ sich einschenken, schwenkte den Schluck im Glas und betrachtete ihn, gegen das Licht gehalten, ehe er es an die Lippen setzte, den Schluck auf die Zunge nahm, ihn dort bewegte, um ihn dann den Gaumen hinabfließen zu lassen. Schließlich nickte er. Schiller auf der Bauernbühne. Claudia applaudierte. In Anselms Blick flackerte ein Fünkchen Unsicherheit. Die Kellnerin schenkte, reglosen Blickes, beiden ein und ging.
    »Zum Wohl«, sagte Anselm und hob sein Glas, suchte ihren Blick, lächelte warm: »Auf uns.« Jetzt war er der jugendliche Liebhaber.
    Claudia wich seinem Blick aus. Nicht die Tatsache, dass er aus diesem Fach längst herausgewachsen war, ließ sie zögern. Sondern der Stich unter den Rippenbögen, von dem sie irrtümlich angenommen hatte, er wäre verheilt. Die Narbe auf seinem Handrücken, die sie nie gesehen hat. Es war ein Fehler, auf Anselm gewartet zu haben.
    »Lieber erst Wasser?«, fragte er, sie aber hörte ihn fragen: Bereust du es?
    Heftig schüttelte sie den Kopf. Sie wollte das hier. Sie hielt ihm ihr Glas entgegen. Er stieß an.
    »Auf diesen Abend«, sagte sie und trank ihr Glas in einem Zug leer, »dass ich dich hier sehe. Staatsschauspiel München. Mensch, Anselm, du hast es geschafft.«
    Mit dem Strahlen in seinen Augen hatte sie gerechnet. Mit der Wirkung des Weines nicht. Ihr Kopf sprang auf, und tausend Perlen flogen hoch zur Decke. »Ich trinke doch nichts, eigentlich«, sagte sie und konnte schon nicht mehr verhindern, dass sie kicherte, lachte, ihr Lachen seines mitriss und sie beide aufstiegen, über den Tisch bis zur Decke hinauf.
    Unter ihnen, zwischen Wasser und Wein, lagen zwanzig Jahre. Sie beachteten das

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