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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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1. Kapitel
    It’s only Rock’n’ Roll, sagt man. Was für ein Unsinn.
    Jeder, der schon einmal in den Armen seines Liebsten gelegen hat, während das Autoradio wehmütige Musik spielte, weiß es. Jeder, der zu dröhnenden Riffs seiner Wut oder seinem Kummer Luft gemacht hat. Jeder, der auf der Gitarre einen Akkord anschlägt und die Menge toben hört. Wir wissen es. Musik ist Glanz, Sehnsucht und Erfüllung. Musik ist Unsterblichkeit.
    Doch als ich durch das winterliche Unwetter fuhr, während der Regen auf die Windschutzscheibe prasselte und düstere Rhythmen aus den Lautsprechern drangen, sollte ich herausfinden, dass das nicht alles war. In jener Nacht brachte Musik den Tod.
    Ich bog gerade in die Einfahrt, als ein brennendes Sofa wie ein orangefarbener Lichtblitz direkt vor mei ner Motorhaube auf die Straße fiel. Ich stieg auf die Bremse. Durch den Aufschlag löste sich ein brennendes Polster und kullerte über den Beton. Trotz des eisigen Wolkenbruchs loderten die Flammen hoch auf. Die Leute auf der Straße jubelten. Studentinnen tanzten im Feuerschein. Im Haus wurde gejohlt und gebrüllt. Dann flog ein Bierfass vom Balkon. Es prallte neben der Couch auf und versprühte in hohem Bogen Bier. Die Mädchen kreischten und ergriffen die Flucht.
    Freitagnacht in Isla Vista.

    Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl. Um elf Uhr abends mitten im Februar hatte mich das Telefon aus dem Schlaf gerissen. Können Sie kommen? Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Er hatte Ihre Telefonnummer in der Tasche.
    Die Semesterprüfungen waren vorbei, da ging es in Isla Vista hoch her. Fünfzehntausend Studenten in Verbindung mit e iner g ehörigen P rise Testosteron und Ä thylalkohol e r-gaben so etwas wie den Herrn der Fliegen mit den Top 40 der Charts als Soundtrack. Ich fuhr mein Fenster herunter, um die Adresse zu überprüfen. Del Playa Drive, das hatte ich mir zu Studentenzeiten schon fi nanziell nicht leisten können. Und cool genug war ich dafür auch nicht gewesen. Der Wind frischte auf und peitschte mir den Regen ins Gesicht. Ich rieb mir das Wasser aus den Au gen, setzte zurück und parkte den Explorer auf der Straße. Die Adresse stimmte.
    Das Haus thronte auf der Seeseite der Straße, der teuersten Lage von Isla Vista, auf der Steilküste über dem Pazifik, aber die Farbe blätterte von den Wänden. Mit eingezogenem Kopf steuerte ich durch den Regen auf die Tür zu. Es roch nach Salzluft und beißendem Qualm. Ein junger Mann wankte um das Haus herum, das vom Feuerschein gelb erleuchtet war. Drei Meter von mir entfernt öffnete er seine Militärhose und pinkelte gegen ein Auto.
    »He!« Ich wandte das Gesicht ab. »Das ist kein Wettbewerb für das peinlichste Homevideo. Behalt dein Ding gefälligst in der Hose!«
    Der Regen und das sprühende Bier löschten das Sofa. Als ich auf die Tür zuging, hinter der die Musik dröhnte, fragte ich mich, wie es so weit hatte kommen können.
    Ich klopfte.
    Es ergab einfach keinen Sinn. Natürlich lag der Hang zum
Alkohol in der Familie, und er hatte in den letzten Jahren eine Tragödie nach der anderen erlebt. Trotzdem stimmte da was nicht. Es konnte sich nur um ei nen Irrtum handeln. Oder wollte ich es einfach nicht wahrhaben?
    Die Tür öffnete sich, und aus der Stereoanlage drang ohrenbetäubende Musik. Der Mann mir gegenüber war älter, als ich erwartet hatte. Anfang dreißig, mein Alter.
    »Evan Delaney?« Seine Haut war gegerbt wie bei ei nem langjährigen Surfer. »Ich bin Toby. Danke fürs Kommen.« Er ließ mich herein. »Auf der Party scheint ihn keiner zu kennen, und ich wusste nicht, was ich tun soll.«
    Im Wohnzimmer vibrierte der Boden unter den Füßen der tanzenden Studenten. Es roch nach Tortillachips und Tequila. Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge.
    »Wo ist er?«, fragte ich.
    »Er hat sich im Bad eingeschlossen. Ich versteh ja, wenn jemand Probleme hat, aber die Leute müssen zur Toilette.«
    »Wenn sie nicht draußen an die Autos pinkeln wie eben.«
    Stirnrunzelnd führte er mich durch einen Gang in den hinteren Teil des Hauses. »Wer ist der Typ überhaupt?«
    Ein starker Mensch, der mit seinen Dämonen ringt.
    »Mein Lebensgefährte.«
    Vor einer Tür hielt er an und klopfte.
    »Verpisst euch«, knurrte eine Männerstimme von drinnen.
    »Evan ist hier«, rief Toby. »Schließ bitte auf.«
    »Haut ab.«
    Toby schaute mich an und zeigte mir eine Haarklammer. »Damit kriege ich das Schloss auf. Ich wollte ihn nur nicht mit Gewalt aus dem Bad zerren und

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