Alle lieben Emma
Gesa und Mona im Atelier gegenseitig auf die Füße treten sollten.«
»Das ist fies und das weißt du ganz genau!«, rief ich und stampfte mit dem Fuß auf.
Dummerweise trat ich direkt in die Saftpfütze und der Kirschsaft spritzte über den ganzen Fußboden. Es sah aus, als hätte jemand einen Mord in unserer Küche begangen, bei dem jede Menge Blut geflossen war. Vielleicht würde es ja wirklich bald einen Mord in unserem Haus geben. Früher oder später würde ich die Nebelkrähe bestimmt umbringen, wenn sie die ganze Zeit in meinem Zimmer herumsaß und auf meinen Nerven herumtrampelte. Dann würde es Mama Leid tun, dass sie so fies gewesen war. Aber dann wäre es zu spät.
»Ende der Diskussion«, sagte Mama und stand auf. »Und jetzt machst du erst mal die Sauerei hier weg.«
Dazu hatte ich überhaupt keine Lust. Am liebsten hätte ich einfach nie wieder das gemacht, was Mama wollte. Aber dann würde ich natürlich ständig Ärger bekommen. Zum Glück kam Paul in dem Moment angelaufen und fing an, den Saft aufzulecken. Hunde sind manchmal wirklich praktisch.
»Paul macht das schon«, sagte ich zu Mama und ging aus der Küche.
Ich war so sauer, dass ich unbedingt mit jemandem reden musste. Normalerweise wäre ich zu Tim gegangen, aber der Verräter war ja auf Mamas Seite. Also lief ich zum Telefon und wählte Papas Nummer. Hoffentlich ging nicht diese Carola dran. Ich atmete erleichtert auf, als ich Papas Stimme hörte.
»Hallo?«
»Hallo, Rudi, ich bin's. Mama hat gesagt, dass du jetzt doch länger bei dieser Carola bleibst. Stimmt das?«
Papa räusperte sich. »Äh ... ja, deine Mutter und ich haben noch mal miteinander geredet und beschlossen, dass eine kleine Beziehungspause für uns alle das Beste ist.«
»Für mich aber nicht!«, rief ich. »Ich will, dass ihr euch wieder vertragt und dass du zurückkommst!«
»Das wird schon wieder, Emma, mach dir keine Sorgen. Ich bin schneller wieder da, als du glaubst.«
»Das hast du Montag auch gesagt und jetzt bleibst du sogar noch länger weg. Wann kommst du denn endlich zurück?«
»Hör mal, so genau kann ich das im Moment nicht sagen. Du musst ein bisschen Geduld haben.«
»Hab ich aber nicht«, sagte ich störrisch. »Weißt du eigentlich, dass Gesa und Mona bei uns einziehen? Gesa zieht ins Atelier und Mama will, dass die Nebelkrähe in meinem Zimmer wohnt. Ich will das aber nicht! Kannst du Mama nicht sagen, dass das nicht geht? Die darf doch nicht einfach so über mein Zimmer bestimmen, oder?«
Papa seufzte. »Ich fürchte, da kann ich nichts machen, Emma. Das musst du mit deiner Mutter klären.«
Ich seufzte auch. Hätte ich mir ja eigentlich denken können.
»Aber was hältst du davon, wenn wir morgen zusammen Eis essen gehen?«, fragte Papa und versuchte, fröhlich zu klingen. »Ich lad dich ins Venezia ein und du darfst so viel Eis essen, wie du willst.«
»Na gut«, brummte ich. »Dann bis morgen.« Ich legte auf. Leider fühlte ich mich nach dem Gespräch mit Papa kein bisschen besser als vorher. Nicht mal der Gedanke an zwei Veriezia-Besuche in zwei Tagen konnte mich aufmuntern. Und das war wirklich ein sehr schlechtes Zeichen.
Um Punkt zwölf fuhr Gesas klappriger VW-Bus auf unseren Hof. Ich ging natürlich nicht nach unten. Von meinem Fenster aus konnte ich sehen, wie Mama aus dem Haus kam, um die Eindringlinge zu begrüßen. Gesa sprang aus dem Bus und sie und Mama umarmten sich.
»Da sind wir!«, rief Gesa und lachte. »Mit Sack und Pack. Dass wir beide noch einmal eine WG gründen, hätte ich wirklich nicht gedacht!«
»Ich auch nicht«, sagte Mama. »Aber ich find's richtig prima, dass ihr da seid. Jetzt räumen wir erst mal euer Zeug aus, nicht wahr, Tim?«
Tim war hinter Mama erschienen und gab Gesa zur Begrüßung die Hand. So ein Verräter! Mit dem würde ich nachher erst mal ein Wörtchen reden. Jetzt half er den beiden auch noch dabei, unser Haus mit ihrem Kram voll zu stopfen.
Die Beifahrertür des Busses öffnete sich und Mona stieg aus. Obwohl draußen die Mittagssonne auf den Hof knallte, trug sie eins von ihren komischen langen Kleidern, die aussahen wie Kartoffelsäcke. Sie hatte fast immer diese hässlichen Dinger an. Meistens waren sie braun oder dunkelblau und hingen wie ein Sack an ihr herunter. Dazu trug sie Birkenstock-Sandalen. Sie sah einfach unmöglich aus – eben wie eine Nebelkrähe.
»Hallo!«, rief sie und winkte Mama und Tim zu, obwohl die beiden direkt vor ihr standen. »Toll, dass wir jetzt
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