Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
gut.
    »Peterle«, flüsterte ich, »Herrchen ist ja wieder da.« Ich drehte mich um. Die Frau stand noch immer in der Tür.
    »Er hat die Augen offen«, sagte ich leise, »und liegt ganz still!«
    Sie stand da — unbeweglich — ohne Antwort. Durch das Halblicht des Zimmers kroch eine böse Furcht von ihr zu mir. Ich kniete mich vor das Körbchen. Seine Augen waren so merkwürdig — und er atmete doch auch gar nicht. Ich legte ganz leicht die Hand auf die Decke. Nichts. —
    »Licht!« schrie ich. »Machen Sie doch schnell Licht!«
    Ich riß die Decken zur Seite. Er lag da, wie wir ihn verlassen, das linke Pfötchen erhoben, als ob er laufe. Aber er war tot.
    Die Frau hatte kein Licht gemacht, war statt dessen zu mir gekommen und hatte sich neben mich gestellt. Ich starrte an ihr empor. Aber ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Sie sagte etwas — was sagte sie? »Schon bald, nachdem Sie weg waren — alle paar Minuten nach ihm gesehen — eingeschlafen — das Beste für ihn.«
    Ein Wagen draußen. Nun doch Licht. Der Arzt, Frauchen hinter ihm. Der Arzt wechselte einen kurzen Blick mit seiner Frau, kniete sich im schweren Pelz vor den Korb, setzte das Stethoskop an, schüttelte den Kopf. Frauchen riß den Mund auf, aber es kam kein Schrei heraus. Ich hatte sie im Arm, ihre Finger krallten sich in meinen Hals.
    Aber schon hatte sie sich wieder gefangen.
    Woher nahm sie die Kraft, dem Arztpaar zu danken?
    Woher nahm ich die Kraft, mit der Decke im Arm zum Wagen zu gehen, mit der Decke, in der das Peterle lag, das jetzt so schwer erschien und so fürchterlich weich und nachgiebig?
    Die Heimfahrt über die vereisten Straßen.
    Das Häuschen — die Mama — die Werneburgs, die ihre Hilfe anboten — ein einziger Schreckenstraum, in dem sich Marionetten bewegten, Gespenster.

    Ich weiß nicht, wie es kam, aber wir waren uns beide, Frauchen und ich, darüber klar, daß wir ihn noch in dieser Nacht begraben mußten. Und wir wußten auch wo: gegenüber auf seiner Lieblingshöhe.
    Wir hüllten ihn in sein eigenes Deckchen, steckten uns sein Bällchen ein und packten die Schaufeln. Werneburg gab uns eine zweite Taschenlampe und eine Spitzhacke und nahm die Mama derweil zu sich herüber.
    Wir stampften durch den Schnee. Über uns war es wolkenlos. Der Mond schien so hell, daß wir die Lichter gar nicht anzuknipsen brauchten. Wir brachen bis zu den Knien ein und keuchten schwer unter unserer Last, aber die Anstrengung tat uns gut.
    Einmal leuchtete ich: eine Spur lief vor uns her, den Hügel hinauf. Vielleicht war sie noch von ihm? Oder von einem Fuchs?
    »Wir müssen ihn tief legen«, sagte Frauchen mit einer ganz fremden Stimme, »damit ihn die Füchse nicht ausgraben.«
    »Ja — natürlich.«
    Endlich waren wir oben, und als wir all den Schnee sahen, zweifelten wir fast, daß es möglich sei.
    Aber wir mußten ihn hier bestatten — und jetzt, da uns keiner sah außer den Sternen, jetzt in der Nacht, aus der er kam und in die er gegangen war. Es war wie ein Befehl in uns.
    Wir stachen erst eine Weile mit den Spaten umher.
    »Hier ist ein alter Baumstumpf«, sagte Frauchen. »Leuchte mal! Ja, siehst du, er ist innen hohl, da kommen wir leichter in die Erde. Und in die eine Wand, die noch steht, kann sich Peter so richtig einschmiegen.« Sie brach plötzlich ab.
    Nach zwei Stunden hatten wir ein tiefes Grab gegraben. Wir knieten uns hin, ließen ihn vorsichtig in seinem Deckchen hinunter und legten einen Tannenzweig und sein Bällchen obenauf. Dann schaufelten wir zu und schlugen mit der Hacke so viele angefrorene Felsbrocken los, daß es uns ein ausreichender Schutz gegen das Raubzeug schien.
    In unseren eigenen Fußtapfen stampften wir durch die klirrende Nacht heim. Die Mama war schon längst wieder daheim und erwartete uns oben an ihrem Fenster, aber sie kam in ihrem großen Herzenstakt nicht zu uns. Wir hörten nur ihr Bett knarren, als sie sich wieder hinlegte. Dann kam ihr Schluchzen, aber nur einen Augenblick. Sie hatte sich wohl schnell die Decke übers Gesicht gezogen.
    Wo waren die Hunde? Wohl oben bei ihr oder noch bei Wer-neburgs. Gut jedenfalls, daß sie nicht da waren — wir hätten sie nicht ertragen können.
    Ich schürte das Feuer, und dann begann die lange Nacht. Wir hockten nebeneinander angezogen auf der Couch und starrten aus dem Fenster. Der Hügel draußen unter dem Mond. Da oben auf dem Berg wieder der Silberschild. Was hatte ich da heute nacht Peterle gesagt, als wir ihn uns ansahen — von den

Weitere Kostenlose Bücher