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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F Pusch
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welchen ich bewundernd aufschauen konnte, denn ihre Leistungen waren monumental. Es war eine ausweglos-tragische Situation. Ging ich weiter ins Latein, so wurde ich regelmäßig im Angesicht der still verehrten Cécile E., welcher meine Liebe nicht bekannt war, gedemütigt. Gab ich das Latein auf, so wurde mir der Anblick des sanften Mädchens entzogen. [...] Blieb nur die Möglichkeit des stillen Verschmachtens während des Unterrichts, und nach dem Latein konnte man ihr durch den St. Galler Herbstnebel nachschleichen, sah die geliebten Konturen von weitem... [...] Der Abstand zwischen ihrem Vater und meinem war so groß wie die Kluft zwischen meinen Lateinkenntnissen und den ihrigen. Ach die ferne unerreichbare Cécile dort am Rosenberg, wo Geld, Latein [...] und höhere Töchter den Abhang besetzt halten! Eine ungeheure Gier und Hemmungslosigkeit wären nötig gewesen, um diese Schranke zu überspringen, ein großer ungezügelter Appetit. (Schwz. 21 f.)

    Die »ausweglos-tragische Situation« hätte wohl ein happy end-ing finden können, wenn Meienberg schlichtere und praktischere Konfliktlösungen als ausgerechnet »ungeheure Gier und Hemmungslosigkeit« und »großer ungezügelter Appetit« eingefallen wären. [Merke: Frauen sind keine Nahrungsmittel!] Zum Beispiel etwas mehr Einsatz für das Lateinische, mehr Interesse für Céciles Interessen also als für ihre »geliebten Konturen«. Aber — so ist er nun mal, der geile Klein-Niklaus. Die Mädchen reduzieren sich ihm leicht zu Mädchenbrüsten (und weiß der Sprachmächtige auch die Figur des pars pro toto gefällig zu verwenden):

    [...] einst zur schwülen Sommerszeit, als die Mädchenbrüste besonders lustig an der Kath. Sekundarschule vorbeiwippten [...] (Schwz. 23 f.)

    Bei »der Byrgit« begeht er denselben Fehler — und scheint es bis heute nicht gemerkt zu haben:

    Ich habe damals nicht viel gehabt von der Byrgit mit ihren Zitterbrüstchen, ihren steifen Wärzchen und flaumig-schwäbischen Schenkeln, wir wurden getrennt untergebracht im ersten und im dritten Stock, der Vater wollte den Lustgarten nur auf Zifferblättern dulden. (Schwz. 18)

    M. hätte vielleicht mehr von »der Byrgit« haben können, wenn er sich für etwas mehr als ihre Zitterbrüstchen, steifen Wärzchen und flaumig-schwäbischen Schenkel [wieso nicht: Schenkelchen?] interessiert hätte. [Frage am Rande: Was in aller Welt sind »flaumig-schwäbische Schenkel«?] [Noch ein Exkurs, anstelle des Kapitels »Sprachkünstler Meienberg und die weibliche Brust«, das ich den Leserinnen ersparen möchte:

    Herr Näf hat das jährliche Kleinkaliberschießen für die Bewohner der Kolonie organisiert. Die Frauen machen begeistert mit, an vielen Brüsten sieht man ein Schützenabzeichen baumeln. (Schwz. 41)

    M. verzichtet auf einen so langweiligen Satz wie viele tragen ein Schützenabzeichen. Seine Sprache ist anschaulich, saftig, deftig, besonders immer dann, wenn es um die weibliche Brust geht. Er pubertiert noch immer.]
    Verblieben ist Meienberg aus seinen tragischen Pubertätserfahrungen anscheinend eine unreflektierte pubertäre Voreingenommenheit gegen »unerreichbare Frauen« (vgl. oben die wegen ihrer vernünftigen Verweigerung »rassistisch« geschimpften »Huren«), »höhere Töchter« sowie (deren) Väter:

    Diese siebte Gymnasialklasse zum Beispiel, immer brav und ruhig, fleißig und keimfrei, die Saftigen wurden in den untern Klassen ausgejätet. Die Mädchen aus der Churer herrschenden Klasse, man geht aufs Gymnasium, weil es sich gehört, die dort in der zweiten Bank links, ihr Fleisch immer in knapp sitzenden Blue jeans verpackt, und insofern adrett, wird zum achtzehnten Geburtstag ein Pferd geschenkt bekommen, oder die kinderge-sichtige rechts hinten, hat zum letzten Geburtstag ein Maiensäß erhalten, oder die hübsch Zuversichtliche mit den braunen Haaren, ihr Blick geht an mir vorbei durchs Fenster in die Bergwälder, die wird eine Weltreise machen dürfen, vom Vater bezahlt, wenn sie die Matura besteht. Kein Zweifel, sie werden die Matura bestehen, und ihre Advokatenväter, Ärzteväter, Ingenieurväter, Chefärzteväter, Verwaltungsväter, Treuhandväter, Immobilienväter, Verwaltungsratsväter, Parteiväter werden sie beglückwünschen. [...] an ihren langen Schulohren rinnen die Gedanken von Ho Chi Minh und General Giap außen herunter. (Schwz. 61 f.)

    Meienberg wirft seinen Schülerinnen tatsächlich ihre Väter vor, praktiziert eine Art Sippenhaft. Die Bravheit der

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