Alle Menschen werden Schwestern
nicht einfach vergessen und von vornherein vernünftig geplant, wäre das Resultat auch nicht so »unschön« und »beschwerlich«. Gänzlich unangebracht aber ist es, hier die Kinder zu beschuldigen.
Aber es gibt noch schlimmere Probleme als »mangelnde stilistische Eleganz« bzw. »Schwerfälligkeit«: Da Genus-Sprachen (fast) keine wirklich geschlechtsneutralen Substantive zur Bezeichnung von Personen, deren Geschlecht irrelevant oder unbekannt ist, besitzen, sondern nur die maskulinen pseudoneutralen Wörter, gibt es nicht nur keine einfache, »elegante« Methode, Buchtitel wie The sceptical feminist (Janet Radcliffe Richards) in eine Sprache wie das Deutsche zu übersetzen. Es gibt überhaupt keine Möglichkeit einer semantisch äquivalenten Übersetzung; mit anderen Worten: Solche neutralen Konzepte können im Deutschen nicht direkt ausgedrückt werden. Wir müssen Umschreibungen verwenden:
* Der skeptische Feminist (unakzeptabel als Titel für ein feministisches Werk)
* Die skeptische Feministin (schließt Männer aus, während das Original sie mitmeint)
?Der/Die skeptische Feminist/in (zu umständlich für einen Buchtitel)
Skeptischer Feminismus (gut, pragmatisch o.k., aber die Bedeutung stimmt nicht mit der des Originals überein)
Schlußfolgerung: Die Strategie »partielle Feminisierung« der englischsprachigen Feministinnen funktioniert nicht für Genus-Sprachen; sie kann nicht einfach auf unsere Verhältnisse übertragen werden. Aus diesem Grund plädieren Männer, sofern sie sich mit der Unsichtbarkeit der Frau in der Sprache überhaupt befassen und uns dabei nicht einfach für überspannt erklären, gewöhnlich für die »Lösung«, alles beim alten zu belassen:
Übrigens wenden wir uns ebenso an Leserinnen und Psychoanalytiker innen wie an die männlichen Vertreter dieser Genera, und wir schreiben für Patienten und für Patientinnen. Die generische Verwendung des Maskulinums, mit der wir die Gattung Leser und das Genus Psychoanalytiker ansprechen, ist die bequemste Lösung [m. H.] eines schwierigen Problems. Die Verwendung des generischen Femininums würde zumal dann verwirrend wirken, wenn wir der Gerechtigkeit wegen von einem Kapitel zum anderen wechselten. So belassen wir es beim gebräuchlichen generischen Maskulinum [...] (Thomä & Kächele 1985: XXI) 63
Geradezu beklemmend, weil so typisch als männliche Reaktion und so »haarscharf daneben«, ist die zartfühlende Sorge der beiden Herren um die sprachliche Gerechtigkeit für den Mann, der doch in der deutschen Sprache seit je, immer und überall, bevorzugt wird. Die Struktur ihres Arguments ist etwa wie folgt: Wenn wir [in dem Meer der Ungerechtigkeit!] mal ein bißchen Gerechtigkeit gegen Frauen walten lassen, ist das aber ungerecht gegen Männer. Deshalb haben wir erwogen, gerecht abzuwechseln. Das ist aber verwirrend [für wen???], und deshalb lassen wir es bei der »gebräuchlichem Ungerechtigkeit gegen Frauen. Um diesen Gedankenwust zu entwirren, bedarf es einer differenzierteren Auffassung des Begriffs »Gerechtigkeit». Ich komme am Schluß des dritten Kapitels darauf zurück.
Aber ihre »bequemste Lösung« ist bequem nur für Männer und wird deshalb auch nicht funktionieren, weil Frauen weiterhin darauf bestehen werden, auch in Genus-Sprachen sprachlich sichtbar zu sein, wie »unbequem« auch immer das für Männer sein mag. Für Sprachen mit einem Genus Neutrum wie Deutsch oder Griechisch gibt es die Möglichkeit, dieses Genus zu aktivieren und die femininen Endungen abzuschaffen 64 — eine Lösung, die unter dem Namen »der verrückte Pusch-Vorschlag« bekannt wurde. Nach diesem Vorschlag würden deutsche Texte etwa so aussehen:
Birgit ist eine gute Student; ihre Professor ist sehr zufrieden mit ihr. Früher war sie übrigens Sekretär bei einer Architekt und dann bei einer Rechtsanwalt. Für ihre Dissertation suchen wir noch ein zweites Gutachter, am besten ein Dozent, das sich in feministischer Theorie auskennt.
Es gibt aber natürlich noch eine dritte, sehr einfache und effektive Strategie: die Totale Feminisierung, d. h. die Ersetzung des generischen Maskulinums durch ein generisches Femininum. Sehen wir uns zunächst an, wie W. H. Auden die Totale Feminisierung bekommt:
However pitiful a handful her readers, a poet at least knows this much about them: they have a personal relationship to her work.
Mögen auch ihre Leserinnen nur eine traurige Handvoll sein, eine Dichterin weiß jedenfalls dies über
Weitere Kostenlose Bücher