Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
jedoch Gruber mit geballten Fäusten einen Schritt auf Petersen zugemacht hatte, war Boris mit einer lächerlich kleinen russischen Maschinenpistole hinter ihm aufgetaucht und Gruber hatte einfach zugehört.
„Ich brauche den Schlüssel von Brauns Auto. Das wäre Nummer eins. Zweitens, wann kann man ungestört in Brauns Wagen gelangen? Ich meine ohne Passanten oder Überwachungskameras.“ Gruber hatte geschwiegen und Petersen hatte ihm wie einem kleinen Jungen mit dem Zeigefinger gedroht. „Denk an Lenka!“
„Braun hat donnerstags immer nach Mitternacht eine Talkshow bei einem Internet-Radiosender. Der Sender heißt ,Wahre Werte‘ und ist im ehemaligen Schlachthof an der Donau. Der Parkplatz ist um diese Zeit immer menschenleer und es gibt nur eine Straßenlaterne in der Gegend. Was habt ihr mit seinem Wagen vor?“
Das kurze Aufblitzen in Petersens Augen hatte ihn verraten, obwohl er sofort abwiegelte.
„Mach dir darüber bloß keine Gedanken, freu dich lieber auf deine Lenka!“ Dann war Gruber im schwarzen Regen verschwunden und nach diesem Treffen ein anderer geworden – ein Verräter.
Tony Brauns schwarzes Sakko hing nachlässig über einen Stuhl und Braun selbst stand in seinem obligaten weißen T-Shirt vor der Pinnwand. Gruber hatte also keine Chance, unbemerkt an den Wagenschlüssel zu gelangen.
„Ich hab was!“, rief Chiara plötzlich völlig übertrieben und schreckte ihn aus seinen Gedanken. Er sah, wie sie ihren Laptop packte und nach vorne stürmte. Elena Kafka winkte sie und Braun hinauf auf die Bühne, zu den Besprechungssofas. Gruber ließ einige Minuten verstreichen, beobachtete die Situation.
Braun saß jetzt im T-Shirt auf der Bühne und besprach sich mit Elena Kafka und Chiara, die ihnen Tabellen auf ihrem Laptop zeigte. Vorsichtig sah er sich um. Sein Kollege Berger war gerade in die Liste vertieft, die alle möglichen Bezieher des schweren Beruhigungsmittels für Pferde auflistete, mit dem Tim Kreuzer und Jonas Blau betäubt worden waren.
Gruber stand auf, streckte sich, ringsum wurde konzentriert gearbeitet oder telefoniert. Niemand beachtete ihn. Also bewegte er sich unauffällig in Richtung des Stuhls. Er spürte, wie ihm der Schweiß an seinem Rücken hinunterlief, fühlte sich, als würde er auf Watte gehen, wie unter Drogen agieren. In der Hand hielt er seine Cavalli-Kaffeetasse mit dem fliegenden Pferd, blöde teuer, aber so war er eben gewesen, bevor sein Abstieg in die Hölle begonnen hatte. Alles, was zählte, war der äußere Schein, die Moral und andere Werte waren dabei auf der Strecke geblieben.
Der Kaffeeautomat stand rechts von der Bühne und Brauns Sakko hing auf einem Stuhl links daneben. Er hatte beobachtet, wie Braun seine Schlüssel gedankenverloren in die Außentasche gesteckt hatte. Noch konnte er zurück, noch war nichts passiert, noch hatte er nur ein Stück Knetmasse in seiner Jackentasche, das er jederzeit draußen in die Donau werfen konnte, um damit alles ungeschehen zu machen. Das funktionierte aber nicht, denn Petersen hatte Lenka in seiner Gewalt und würde sie zerstören, wenn Gruber nicht ausführte, was dieser von ihm verlangt hatte. Das war eine übergeordnete Entscheidung, ein Gottesurteil, wenn man so will, versuchte er sich zu rechtfertigen. Ich mache das nicht gegen Braun, sondern für Lenka. Genau, nur für sie mache ich das, versuchte er sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
Oben auf der Bühne in der Besprechungsecke wurde noch immer heftig diskutiert und Chiara zeigte noch immer Tabellen, Homepages und Grafiken auf ihrem Laptop. Gruber schlich jetzt wie ein Schlafwandler direkt an dem Stuhl vorbei, auf dem Brauns Sakko hing. Er stellte seine Tasse auf dem Tisch ab und bückte sich, um vorzutäuschen, einen seiner blauen Prada-Sneakers zu binden. Griff vorsichtig in die Außentasche von Brauns Sakko. Fühlte nur zerknüllte Quittungen.
Verdammt!, dachte er. Oben auf der Bühne klingelte ein Handy. Chiara hatte aufgehört zu reden, die Sofas ächzten und Kaffeetassen wurden verschoben. Schnell langte Gruber in die andere Außentasche des Sakkos. Er krallte die Finger um Brauns Wagenschlüssel, versteckte diesen in seiner Faust, stand auf, steckte den Schlüssel ein, zitterte am ganzen Körper und atmete tief durch. Gruber musste die Kaffeetasse mit beiden Händen halten, damit sie ihm nicht aus den schweißnassen Fingern rutschte.
„Hallo, Dominik, wie geht‘s? Du siehst so blass aus!“ Chiara stand vor ihm mit dem zugeklappten
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