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Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)

Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)

Titel: Alle müssen sterben - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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nach und tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Lippen.
    „Nun gut, ich habe ein Herz für Künstler. Ab morgen bist du in Halle B im fünften Stock“, sagte er dann grinsend, wurde aber schnell wieder ernst. „Und jetzt verschwinde zu deiner Lauge, sonst musst du die Fabrik verlassen. Und du weißt ja, dass du eine Menge Schulden angehäuft hast, seit du hier arbeitest.“ Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand wieder im Verwaltungsgebäude.
    Ja, so ist das, dachte Polina und versuchte vergeblich, sich mit einer Hand den Dreck von ihrem Overall zu wischen und mit der anderen Schmutz und Nässe aus ihrem Haar zu wringen. Natürlich wusste sie, dass die Fabrik für alles Geld verlangte, das vom Lohn abgezogen wurde. Natürlich wusste sie auch, dass in der Kantine dieselben Preise zu bezahlen waren wie in einem Luxusrestaurant in London oder Paris. Natürlich wusste sie, dass man sich trotz der Arbeit in der Fabrik hoffnungslos verschuldete, aber das wenige Geld, dass sie bekam, reichte aus, um ihre betagten Großeltern, die in der Nähe von Tiraspol auf dem Land lebten, zu ernähren und für das Konservatorium in Chisinau zu sparen.
    Hustend schleppte sie sich die Treppe nach oben in den dritten Stock und als sie die schwere Stahltür der Halle aufschob, war der ätzende Gestank so überwältigend, dass sie sofort rasende Kopfschmerzen bekam und ein Hustenanfall zwang sie in die Knie.
    „Da bist du ja wieder“, flüsterte Ronja, ein dünnes zwanzigjähriges Mädchen, mit dem sie sich ein wenig angefreundet hatte. „Ich habe dir den Platz hinten bei den Ballen freigehalten. Da kommst du mit der Lauge so gut wie überhaupt nicht in Berührung.“
    Erst jetzt fiel Ronja auf, dass Polinas Overall komplett verdreckt war. „Mein Gott, was haben sie mit dir gemacht?“
    „Eigentlich gar nichts! Ich bin nur verwarnt worden und muss morgen in einer anderen Halle arbeiten.“ Sie lächelte Ronja halbherzig an. „Im Grunde ganz positiv. Ich brauche mir um meine Hände keine Sorgen mehr zu machen.“
    „Klingt gut, klingt gut!“ Ronja nickte geschäftig, ließ ihre kleinen Rattenaugen hektisch hin und her schweifen, damit sie nicht von einem der Vorarbeiter beim Reden entdeckt wurde. „Da hast du ja mächtig Glück gehabt, wirklich mächtig Glück!“ Nervös kaute Ronja an ihrer Unterlippe. „Wo kommst du hin? Etwa in die Verwaltung? Dorthin, wo es ruhig ist und man 12 Stunden nur Akten sortieren muss?“
    „Nein, ich komme in Halle B in den fünften Stock. Keine Ahnung, was dort gemacht wird.“ Polina zuckte mit den Schultern und knetete ihre Finger, bis die Gelenke knackten.
    „Halle B, fünfter Stock! Oh mein Gott, oh mein Gott!“, stöhnte Ronja und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Ihre kranken gelblichen Augen waren starr auf Polinas Hände gerichtet. „Du weißt nicht, was dort im fünften Stock gemacht wird?“
    „Nein, woher auch, ich war noch nie dort“, antwortete Polina und begann nervös an ihren Fingernägeln zu kauen.
    „Ich war im fünften Stock“, flüsterte Ronja und sah sich ängstlich um. Ihre Stimme war so leise, dass sie von dem dröhnenden Lärm der Maschinen niedergewalzt wurde, doch Polina verstand auch so sofort, was Ronja gemeint hatte, als diese ihre linke Hand hob und Polina vor die Augen hielt. Das war ihr bisher noch gar nicht aufgefallen, aber Ronja fehlten an der linken Hand zwei Finger.
    „Im fünften Stock sind die Zuschneidemaschinen“, flüsterte Ronja und rückte mit ihrem schmalen Mausgesicht noch näher. „Dort haben schon öfters unachtsame Mädchen einige ihrer Finger verloren!“
    „Wieso Finger?“ Polina starrte auf ihre langen Finger, die sie spreizte, so als befürchtete sie, dass sie jederzeit abfallen oder verschwinden könnten. „Wie kann so etwas passieren?“
    „Es sind die Zuschneidemesser. Die Maschinen sind viel zu schnell eingestellt, damit die Produktionsvorgaben eingehalten werden können. Das geht zack, zack, zack. Man kommt gar nicht mit dem Nachschieben zurande und muss gleichzeitig das Schnittmuster nachziehen. Da kann es schon passieren – zack!“
    Mit ihrer versehrten Hand streichelte sie die Wange von Polina.
    „Ich war vielleicht eine Woche dort, dann hat es mich erwischt. Ich war nur einen kurzen Moment abgelenkt, habe an etwas anderes gedacht, nicht die Messer im Auge behalten – zack! Aber es ging so schnell, dass es überhaupt nicht wehgetan hat. Erst als ich das viele Blut gesehen habe, ist mir übel

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