Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
nur mühsam seine Enttäuschung verbergen. „Was für einen Anfall?“
„Die zerstörten Nerven spielen von Zeit zu Zeit verrückt. Immer wenn er angespannt ist oder sich aufregt. Das war heute eben der Fall, als er erfahren hat, dass ihn die Mordkommission befragen will.“ Der Beamte beugte sich vertraulich vor und seine hängenden Wangen zitterten. „Worum geht’s, Chefinspektor? Vielleicht kann ich mit Informationen dienen?“
Ein rauchdurchzogener Atem strich über Brauns Gesicht und unwillkürlich zuckte er zurück.
„Ich glaube nicht, dass Sie mir helfen können“, sagte er, lächelte eisig und klopfte mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Also, sagen Sie ihm, dass es mir leid tut, ihn nicht angetroffen zu haben. Aber vielleicht komme ich wieder.“ Braun stand auf und schob den Stuhl zurück. „Ja, vielleicht komme ich tatsächlich noch einmal hierher, wenn er etwas für mich herausgefunden hat.“
„Er hat etwas herausgefunden. Er ist ja unglaublich klug und denkt so kreuz und quer, dass ich immer ganz verwirrt bin, wenn ich mich mit ihm unterhalte“, antwortete der Beamte geschäftig.
Erst jetzt fiel Braun auf, dass sich der Beamte gesetzt hatte und mit seinen dicken, rötlich behaarten Fingern ein Modemagazin, das mit der Rückseite nach oben auf dem Tisch lag, glattstrich. „Er hat mir dieses Modemagazin hier für Sie mitgegeben!“ Als Braun danach greifen wollte, legte der Beamte die Hand darüber. „Stimmt es, dass diese beiden Männer von einem irren Flammenkiller verbrannt worden sind?“, flüsterte er. „Feuer und Wasser! Was für eine Verbindung. Ein brennendes Segelschiff auf einem See und das Opfer ist an den Mast gekettet.“ Der Beamte lehnte sich zurück und starrte Braun mit seinem Bulldoggengesicht aufgeregt an. „Und erst der andere Mord. Verkehrt an ein Kreuz gehängt und den Kopf angezündet. Das kann nur ein Verrückter machen. Kennt man bereits die Hintergründe? Gibt es vielleicht sogar schon einen Verdächtigen?“, fragte er sensationslüstern.
„Wir stehen erst am Anfang. Also, was haben Sie da“, antwortete Braun knapp und winkte mit der rechten Hand. „Los, her damit. Ich habe keine Zeit für Ihr dummes Gerede!“
Seine Stimme klang so hart und unmissverständlich, dass der Justizwachebeamte mit einem lang gezogenen Seufzer das Magazin über den Tisch schob. Braun griff sich das Modemagazin und runzelte die Stirn, als er die markierten Anzeigen sah. „Hat er nichts dazu gesagt?“, fragte er irritiert und drehte die Zeitschrift in seinen Händen hin und her.
„Er hat gesagt, Sie sollen die Anzeigen mit den Tatortfotos vergleichen und auch nach anderen Anzeigen in dem Modemagazin suchen.“ Der Beamte zuckte mit den Schultern. „Ich habe auch nicht verstanden, was er damit gemeint hat! Aber so sind sie eben, diese Kreativen“, versuchte er sich mit Braun zu verbrüdern, doch dieser hatte bereits an die Glaskabine geklopft, damit ihm der Wachposten die Tür öffnete.
„Soll ich ihm eine Nachricht von Ihnen überbringen, Chefinspektor?“, rief ihm der Beamte gehässig hinterher. Natürlich wusste auch dieser um Brauns spezielle Beziehung zu dem Gefangenen.
„Nicht nötig!“, rief Braun. „Sie würden sich den Text ja nicht einmal bis zu seiner Zelle merken!“
„Arrogantes Arschloch!“, hörte er den Beamten noch halblaut fluchen. Dann stand er auch schon draußen in dem Gang mit den Panzerglastüren, die sich lautlos vor ihm öffneten, bis er endlich das äußere Tor erreichte und über den Parkplatz zu seinem Wagen ging. Ein Donner zerriss die Stille und Braun beeilte sich, in den Range Rover zu steigen, bevor das nächste Gewitter losbrach.
Während der Platzregen auf das Autodach prasselte, legte er die beiden markierten Anzeigen, das Amateurfoto des brennenden Segelschiffes und das Tatortfoto des verbrannten Jonas Blau auf den Beifahrersitz. Er betrachtete die Bilder eingehend, kratzte sich den Dreitagebart, hörte nur den Regen und wusste, dass er jetzt den richtigen Sound brauchte, um seinem Denken den nötigen Kick zu geben. Er drückte die weiße, eiernde Kassette mit den vergriffenen 12 inches von New Order in das Kassettendeck und studierte die Bilder, während aus den original Kenwood-Boxen „Perfect Kiss“ dröhnte. Siebeneinhalb Minuten später war der Song vorüber und Braun hatte endlich entdeckt, was ihm der Gefangene mitteilen wollte. Es war etwas in sein Blickfeld geraten, an das er überhaupt nicht gedacht
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