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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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erklärte Mirja triumphierend.
    Jeder andere, außer dir vielleicht, dachte ich und bat sie mit stark gebremster Freundlichkeit, Tuulia hereinzuschicken. Ich wünschte mir, alle Daten ebenso systematisch ordnen zu können wie Mirja, aber mein Gehirn schien die ganze Zeit ins Stocken zu geraten.
    Tuulias Vernehmung sollte mir noch schwerer fallen, denn sie hatte ich immer gemocht. Wir waren uns ab und zu im Uni-Café über den Weg gelaufen und hatten jedes Mal ein paar Witze gerissen. Ähnlich wie ich war auch Tuulia unsicher gewesen, welche Richtung sie einschlagen sollte. Sie hatte mit wenig Erfolg Kommunikationswissenschaft und Soziologie studiert, zwischendurch auch eine Weile Theaterwissenschaft; neuerdings war sie an der Universität Turku, wo sie sich auf Kulturgeschichte verlegt hatte. Nebenbei hatte sie allerhand Aushilfsjobs gehabt, offenbar lag ihr gar nichts daran, ihr Studium abzuschließen oder eine feste Anstellung zu finden.
    «Hey, kannst du nach mir die Piia als Nächste drannehmen, weil wir nämlich anschließend zu mir wollen, die Reste vom Wochenende aufessen und so eine Art Gedenkfeier für Jukka halten, aber Antti will nicht mitkommen, also könnte er der Letzte sein. Du machst das wohl alphabetisch?» Tuulia sprach mit gezwungener Munterkeit.
    «Okay. Sitzen die anderen noch im Flur?»
    «Ja, keiner mag allein weggehen – und zu zweit sicher auch nicht. Wer weiß, wer von uns gefährlich ist. Das ist vielleicht ein komisches Gefühl, ich hab Jukka fast zwanzig Jahre gekannt, und jetzt … Wir waren im Gymnasium in einer Klasse, er und Antti und ich.»
    «Was machst du eigentlich so?»
    «Ich studier immer noch Kulturgeschichte in Turku, geh einmal die Woche zu einem Kurs an der Sommeruni, und dann hab ich zwei Tage pro Woche Aufsicht auf einem Spielplatz, und den Rest der Zeit sauf ich – also immer noch kein geregeltes Leben, obwohl ich schon fast dreißig bin», grinste Tuulia.
    «Was ist gestern passiert?» Ich durfte nicht zurückgrinsen, so gern ich es getan hätte.
    Tuulias Bericht ähnelte den bisherigen Aussagen. Friedliches Beisammensein, Singen, ein schöner Sommerabend. Mirja hatte sich als Erste schlafen gelegt, dann Jyri – Tuulia war froh gewesen, dass er absackte, denn sie war nicht in Flirtstimmung –, danach Timo und Sirkku und zum Schluss die anderen mehr oder weniger gleichzeitig.
    «Es muss kurz nach eins gewesen sein, als ich Jukka gute Nacht gesagt hab, weiter war dann nichts mehr. Am Morgen hab ich dann an seine Tür gehämmert und gerufen, der Kaffee wäre fertig, aber im Zimmer war es ganz still. Ich hab die Tür aufgemacht, aber er war nicht da, und vielleicht hab ich gedacht, er ist schwimmen gegangen, aber vielleicht hab ich auch gar nichts gedacht.»
    «Warum bist du nicht mit ans Ufer gegangen, um nach Jukka zu sehen?»
    «Leichen sind nicht unbedingt mein Geschmack. Und irgendwie dachte ich auch, Jyri übertreibt. Der Kleine war ja immer noch nicht ganz nüchtern. Mirja ist natürlich sofort hingerannt, aus purer Neugier, die muss ja überall ihre Nase reinstecken. Und Antti … Ich hätte ihm so gewünscht, dass er Jukka nicht zu sehen braucht, er hat ihn wirklich gern gehabt.» Tuulia verbarg ihr Gesicht in den Händen, die blonden Haare fielen ihr in die Stirn. Ich durfte ihr keine Gelegenheit geben, sich auszuweinen, sondern bombardierte sie weiter mit Fragen.
    «Du hast Jukka ja ziemlich lange gekannt. Kannst du dir vorstellen, wer ihn so sehr gehasst hat, dass er ihn umbringen würde?»
    «Woher soll ich das wissen? Natürlich denkt man die ganze Zeit verzweifelt darüber nach; es muss doch eine vernünftige Erklärung geben! Die Einzige, der ich einen kaltblütigen Mord zutrauen würde, ist Mirja, aber was sollte die für ein Motiv haben?»
    «Vielleicht war sie heimlich in Jukka verliebt oder so was?» Es amüsierte mich, dass die beiden Frauen sich gegenseitig bezichtigten.
    «Doch nicht in Jukka! Hinter Antti ist sie her, jedenfalls seit Antti und Sarianna vor zwei Jahren Schluss gemacht haben. Natürlich hat sie mir das nicht anvertraut, aber alle wissen es. Auf irgendeiner Fete hat sie sich Jukka regelrecht in die Arme geworfen, bloß um Antti auf sich aufmerksam zu machen, aber das hat natürlich nicht geklappt. Gestern hat sie dann ihren Fisch angeschleppt, eine pikante Methode, Eindruck auf einen Mann zu machen, oder? Ach ja, es ist schon ein Elend, für Mirja, meine ich. Antti brauchte meiner Meinung nach was ganz anderes als diesen

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