Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
war leichter gesagt als getan, denn wohin mit dem Schotter? Ich kaufte mir ein Eis und latschte die Löhrstraße lang. Da redeten die Kowwelenzer, wie ihnen der Schnabel gewachsen war.
»Willst dau hej anwaggse?«
»Mir donn die Fööß wieh ...«
»Ma haddet nit leischt, awwer leischt haddet eine.«
»Isch hannen Stein im Schoh.«
»Ett gitt Leut!«
»Isch kann nimmie. Hull dau doch emo dä Kinnerware!«
»Dat könnte dir so passe.«
»Asu demm is mit dä geseschnede Kärz nit ze helwe ...«
Von einem Grabbeltisch im Kaufhof fischte ich mir ein preislich stark herabgesetztes Buch über Adolf Eichmann, und dann fuhr ich zurück.
Adolf Eichmann hatte im Dritten Reich die Deportation der Juden in die Vernichtungslager organisiert und war 1960 in Argentinien von den Israelis entführt, in Jerusalem vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Vorne in dem Buch war ein Foto von Eichmann zu sehen, einmal im Original und zweimal senkrecht halbiert und gespiegelt. Mit der verdoppelten linken Gesichtshälfte sah Eichmann aus wie ein gramzerfressener Uropa und mit der verdoppelten rechten wie ein kerngesunder Olympionike. Mit diesen kraß verschiedenen Ausdrücken in einem und demselben Gesicht war Eichmann herumgelaufen, bis ihn die Israelis geschnappt hatten.
Im Badezimmerspiegel sah ich mir mein eigenes Gesicht an und hielt die Hand mal vor die linke und mal vor die rechte Hälfte, aber große Unterschiede konnte ich dabei nicht feststellen. Links ’n Milchbubi, rechts ’n Milchbubi. Und von Bartwuchs keine Spur. Beim Albers und beim Bohnekamp sproß immerhin schon dürrer Oberlippenflaum, und Volker, der mir ja auch nur knapp drei Jahre voraus war, hatte sein Radiergummibärtchen bereits als Konfirmand gepflegt.
Die neueste Frage in der Rubrik »Zeit-Lupe« lautete: »Ist die Universität zu wenig praxisorientiert?« Ich hätte gern darauf geantwortet, um mir weitere 25 Mark zu verdienen, aber leider war die Frage dafür zu wenig an meiner persönlichen Praxis als Schüler orientiert.
Papa pflasterte den Gartenweg rechts vom Haus mit Steinplatten. Das hätte eigentlich ein Handwerker machen sollen, der jedoch nicht erschienen war.
Den Abendbrotstisch deckte Mama draußen auf der Terrasse. Wiebke biß aus Neugier von einer Schnitte mit Zungenwurst ab und rannte dann mit vor den Mund gehaltener Hand zum Klo, eben noch rechtzeitig, bevor Papa sich auf seinem Chefstuhl niederließ.
Das wäre noch die Frage, sagte Papa, ob wir’s jemals wieder irgendwo so schön hätten wie hier. »Verglichen mit diesem Garten ist der in Meppen ein einziges Tohuwabohu.«
Von mir aus hätten wir ja gern sofort wieder nach Vallendar zurückziehen können, aber Mama brachte das Gespräch auf die Finanzen, und dann drehte es sich bald um Oma Schlosser und das Problem ihrer künftigen Unterbringung. Ganz allein würde sich Oma Schlosser nicht mehr lange behelfen können. Welche Herbergseltern da in Frage kämen: Rudi und Hilde? Ausgeschlossen. Gertrud und Edgar? Die hätten genug mit ihrer Baustelle in Sennestadt zu tun. Tante Doro könne man das auch nicht zumuten, Onkel Walter wohne selber nur zur Miete, und mit Onkel Dietrichs Ehegespons stehe Oma Schlosser auf Kriegsfuß.
»Am besten wär’s, meine Mutter würde sich ’ne kleine Wohnung in Meppen nehmen, in Fußweite von uns«, sagte Papa, und nur wenig später ging schon wieder alles um das liebe Geld.
»Tante Hanna schulden wir ja auch noch so einiges«, sagte Mama, und da fuhr ihr Papa über den Mund: Solche Themen müßten ja nun nicht in Gegenwart der Kinder aufs Tapet gebracht werden.
»Ihr habt’s gehört«, rief Mama. »Händewaschen, Zähneputzen! Aber wie der Blitz!«
Wenn man dann nicht gleich parierte, kriegte man Saures. »Wird’s bald, Freundchen?«
Die Information, daß zwei Handwerker die Garage verputzen sollten, verstand Wiebke so, daß die die Garage aufessen müßten. Weiß der Henker, was da los war in Wiebkes unterentwickeltem Kleinmädchengehirn.
Beim Mittagessen hatten wir am nächsten Tag Herrn Lohmann zu Gast, der mit Kennermiene die Beete musterte und dann von Mama mit dem Polo nach Koblenz zum Bahnhof gefahren wurde, und da krachte ihr beim Einparken ein Mercedes rein.
Eine ältere und ziemlich zitterige Frau habe in dem Mercedes am Steuer gesessen, sagte Mama. Die habe ihren Wagen zurückgesetzt, ohne nach hinten zu kucken, und der Lohmann sei der sofort aufs Dach gestiegen: »Halten Sie den Mund, Sie freche Gans!
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