Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Schraube locker, sagte Mama. Wenn denen der Papst was sage, hielten sie das für Gottes Wort, und wenn sie gesündigt hätten, würden sie das eben kurz beichten gehen, und dann glaubten sie, daß alles wieder in Butter sei. »Aber laß dir den Katholen gegenüber ja nicht anmerken, was wir über die denken!«
In Zeichnen sollten wir eine Baustelle mit dem Füller malen. Mir lief die Patrone aus, und die einzigen beiden Bilder, die Frau Weißpfennig nicht an die Wand hängen wollte, waren das verschmierte von Benno Anderbrügge und das durchgeweichte, wellige von mir.
Mama machte arme Ritter, was zu meinen Leibgerichten gehörte, und die zischten schon in der Pfanne, aber vor dem Essen mußte ich mir im Badezimmer die Tintenfinger schrubben, mit der Wurzelbürste.
Wir hatten als Hausaufgabe, unseren Schulweg zu beschreiben, und ich dachte mir eine Geschichte aus: Mama vergißt, mich zu wecken, ich renne los und merke erst auf der Straße, daß ich noch nackt bin, renne zurück, verknackse mir den Fuß und hämmere an die Haustür, die dabei in Scherben geht.
Frau Weißpfennig rief mich auf, und ich sollte den Aufsatz vor der ganzen Klasse vorlesen. Weil ich mich nicht traute, nahm Frau Weißpfennig mein Heft und las den Aufsatz selbst vor. Dabei schüttelte sie oft den Kopf, aber die ganze Klasse schrie Zeter und Mordio vor Begeisterung.
Jetzt hatte ich bessere Freunde als die dicke Barbara, und ich nahm Reißaus, wenn sie angedampft kam.
Einmal trieb sie mich vor dem Schultor in die Enge und sagte: »Martin, wollen wir nicht wieder Freunde sein?«
Volker hatte in seiner neuen Schule einen Lehrer, der nach dem Unterricht immer sagte: »Man möge mir den Mantel reichen!« Dann mußte einer spritzen und den Mantel vom Haken holen. Und in Musik hätten sie singen müssen: »Der Faulenz und der Lüderli, das sind zwei rechte Brüderli.« Alles Quatsch mit Soße.
Beim Karnevalsumzug in Koblenz wurden Spielepackungen von den Wagen geworfen, Mensch ärgere Dich nicht und Malefiz, aber wenn man da hinwollte, wurde man umgerannt. Kowelenz olau.
Dafür hatte ich die Taschen voll mit Karamelbonbons, und ich probierte nochmal aus, wieviele ich davon in den Mund stecken konnte. Einer ging immer noch rein, aber der Kloß war so groß geworden, daß ich nicht mehr drauf kauen konnte, nur am Rand, und als ich den Kloß nach einer Stunde aufhatte, war mir der Appetit auf die restlichen Bonbons vergangen.
In Jever hatte Wiebke vier Pfund zugenommen und das Wort mürselig gelernt, was mühselig heißen sollte.
Zu der neuen Kindertonne, die im Flur stand und wo unsere Mützen, Schals und Handschuhe reinkamen, sagte Wiebke Tinnatonne.
Es war tiefster Winter.
In meinem Zeugnis stand, daß ich gute Leistungen gezeigt hätte. Martin müßte sich aber auch einmal von sich aus am Unterricht beteiligen und nicht immer auf eine Aufforderung zum Sprechen warten.
Das sei ja wohl ein Witz, sagte Mama. Die größte Sabbeltasche vom Mallendarer Berg kriegt in der Schule die Kusen nicht auseinander!
Mitte Februar bauten Handwerker den Raumteiler zwischen Küche und Wohnzimmer ein. Ein Arbeiter schleppte Teppichfliesen hoch. Dralon mit Kräuselvelours. Um die Faltwand zwischen Wohnzimmer und Büro kümmerte Papa sich nach Feierabend selbst. Die Faltwand war beesch, aber Renate sagte, die sei »kackafarben«, und die Fliesen würden stinken.
Renate meckerte auch über die grünen Fliesen in ihrem Zimmer oben, weil die aus dem Wohnzimmer auf der Horchheimer Höhe stammten und noch Kabaflecken und Schmelzflockenkleckse hatten.
Wegen dem Hochwasser auf dem Rhein mußte Papa Renate und Volker auf einem riesigen Umweg über eine Autobahnbrücke nach Koblenz zur Schule fahren und mittags wieder abholen. Nur zu meiner Schule in Vallendar kam das Hochwasser nicht hin.
Strom kriegten wir jetzt von Rautenbergs, über ein Verlängerungskabel, das aus dem Gästeklofenster hing.
Rautenbergs waren weder evangelisch noch katholisch, sondern Adventisten, die alles mögliche nicht durften. Einmal kam Frau Rautenberg rüber, um Mama zu missionieren, aber Mama machte lieber Kaffee für Frau Rautenberg und sich selbst, und beim Kaffee erzählte Frau Rautenberg, daß ihr Mann ihr verboten habe, Lippenstift zu benutzen. Wer rote Lippen haben will, soll drauf rumbeißen, habe Herr Rautenberg gesagt.
Wir hatten ja viel Krempel, aber Rautenbergs hatten noch mehr. In deren Garage waren alle Sachen so untergebracht, daß das Auto eben noch reinpaßte, und
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