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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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alles einbildet, wie
     der Kopf so funktioniert.

 
    Klara wacht am nächsten Morgen doch wieder auf. Wünsche gehen nicht in Erfüllung. Sie steht auf und fühlt sich müde. Die nette
     Pflegerin kommt und schlägt die Bettdecke zurück. Das Bett ist nass und riecht nicht gut. Klara ist es egal. Sie steht in
     ihrem Nachthemd am Fenster und schaut raus. Die Welt ist winzig geworden. Die Pflegerin schiebt Klara ins Bad und zieht ihr
     die Sachen aus. Sie redet dabei ununterbrochen auf Klara ein, aber die will nichts hören. Die Pflegerin wäscht und putzt und
     klemmt eine Vorlage zwischen Klaras alte Beine. Sie beschließt, dass Klara heute nicht in den Frühstücksraum geht, sondern
     im Zimmer isst. Aber daraus wird nichts. Klara rührt das Essen nicht an. Sie sitzt auf ihrem Sessel und bleibt stumm.
    Mittags geht es etwas besser. Klara läuft allein zum Essen, wo Aaron auf sie wartet. Er steht auf, als sie den Saal betritt,
     und kommt auf sie zu. Er nimmt ihre Hand und führt sie zum Tisch und schiebt ihr den Stuhl unter den Hintern und fasst sie
     dabei kurz an. Nun hat man dich also gepampert, Klara, flüstert er ihr ins Ohr, und sie reagiert nicht. Sie isst anständig.
     Kein Sabbern, kein Schlürfen, kein Gespräch. Aaron beobachtet Klara, und es hätte jede hier sein können. Wahrscheinlich wird
     sie ihn hin und wieder noch einmal erkennen. Und ein paar Worte mit ihm wechseln. Aber große Hoffnung kann er sich da nicht
     machen.
    Nach dem Essen bringt er Klara auf ihr Zimmer und bleibt noch eine halbe Stunde bei ihr sitzen. Klara schiebtihr Gebiss nach vorn, und kurz bevor es herauszufallen droht, schiebt sie es mit einer Hand wieder an den richtigen Platz.
     Ihre Knie schlagen rhythmisch aneinander. Draußen scheint die Sonne, und Aaron macht noch einen Versuch. Wollen wir spazieren
     gehen, Klara?
    Und sie nickt. Aber mehr auch nicht. Sie bleibt sitzen und nickt mit dem Kopf. So lange, bis sie eingeschlafen ist.

 
    Juli hat schlecht geschlafen. Drei Mal ist Svenja wach geworden in dieser Nacht und hat geschrien. Ohne Grund, findet Juli,
     aber die Hebamme sagt, Kinder hätten immer einen Grund. Am Morgen sind alle ein wenig müde und gereizt. Die Hebamme hat noch
     einen freien Tag. Keine Entbindungen, keine Termine. Juli packt Svenjas Tasche und macht sich auf den Weg in den Park. Bei
     ihrem letzten Besuch hat sie gelesen, dass das Café schon um elf aufmacht. Im Sommer jedenfalls.
    Der Park ist voller alter Menschen. Und junger Mütter, die mit ihren Kindern auf den Spielplätzen rumturnen. Eine von den
     Alten ist Klara, verrät Juli ihrer Tochter, die schon wieder eingeschlafen ist im Kinderwagen. Ich bin sicher.
    Die Kellnerin bedient heute wirklich und lächelt Juli zu, als die sich draußen einen Tisch sucht, neben den sie den Kinderwagen
     stellen kann. Sie kommt und bringt gleich einen Tee mit. Sie werden gesucht, von einer alten Dame, die hier öfter mal mit
     einem vornehmen alten Herrn Schokolade trinken kommt, sagt die Kellnerin zu Juli. Ich soll Adresse und Telefonnummer sicherstellen.
     Die leben wahrscheinlich beide in dem Altenheim da drüben auf der anderen Seite des Parks. Jedenfalls wirken sie so.
    Juli freut sich ein bisschen und beschließt, bald einmal einfach ins Altenheim zu gehen und nachzufragen. Haben die ihren
     Namen gesagt?
    Nein, sagt die Kellnerin, aber der Mann heißt, glaube ich, Aaron. Ist ja kein so häufiger Name. Hier.
    Juli schüttelt den Kopf. Das stimmt, ein Aaron müsste sich schon finden lassen. Und dann wird die dazugehörige Frau ja nicht
     weit sein. Trotzdem schreibt sie ihre Adresse und Telefonnummer auf einen Zettel und drückt den der Kellnerin in die Hand.
     Falls die doch noch vorbeikommen. Oder wenn wir beide mal.
    Die Kellnerin nickt und lächelt. Sie hat dunkle Ringe unter den Augen. So dunkel, dass Juli fragt, ob sie krank sei, und sich
     im gleichen Augenblick dumm dabei vorkommt.
    Die Kellnerin winkt mit der rechten Hand beschwichtigend ab. Ich habe schlecht geschlafen letzte Nacht. Musste mich entscheiden.
     Sie schaut in den Kinderwagen und fragt, wie es Svenja geht.
    Gut, sagt Juli und strahlt. Sie lernt im Schlaf. Und sie erkennt mich.
    Das ist ja auch einfach, sagt die Kellnerin. Bei den grünen Haaren.

Informationen zum Buch
    Eine wichtige Stimme der deutschen Gegenwartsliteratur.
     
    Fünf Frauen, die einander sehr viel näherstehen, als sie glauben: Ein traurigschöner Roman über das Altwerden und Neugeborensein,
     das Erinnern und

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