Allein auf Wolke Sieben
es dir«, murmelt er an meinem Ohr, und seine sanfte Stimme beruhigt mich etwas.
»Ja?«, frage ich kläglich, und er nickt.
»Ganz bestimmt.« Er schiebt mich auf Armeslänge von sich weg und mustert mich besorgt. »Geht’s wieder?« Ich schniefe, nicke aber tapfer. Mit dem Daumen seiner rechten Hand fährt er mir leicht über die Wange und wischt meine Tränen weg. Dann schließt er mich noch mal in die Arme, und ich schmiege mich an ihn, vergrabe mein Gesicht an seinem Hals und atme seinen Geruch ein. Es geht mir ein bisschen besser. Es wird alles gut werden. »Wir werden über alles sprechen, versprochen«, flüstert er in mein Ohr. »Beim nächsten Mal. Ich muss jetzt wirklich gehen.« Er lässt mich los und sieht mich bedauernd an. »Es tut mir leid. Ich rufe dich an.« Er drückt mir erneut einen Kuss auf die Lippen, den ich nicht erwidere. »Ciao, ich liebe dich.« Damit verlässt er mit eiligen Schritten meine Wohnung. Wie betäubt stehe ich mitten in meinem Schlafzimmer. Nackt. Ein ganz leichter Windhauch streicht durch das geöffnete Fenster über meinen Körper, der Laminatfußboden scheint unter meinen Füßen zu schwanken. Sehr lange stehe ich so da. Und als mir endlich ein gequältes »Ich liebe dich auch« über die Lippen kommt, ist Gregor wahrscheinlich längst am Flughafen und schließt seine heimkehrende Frau in die Arme. Wie heißt sie überhaupt?
Sie heißt Anna. Liegt es an mir, oder ist das ein blöder Name? Das kann mir Loretta auch nicht sagen, dabei weiß sie doch
sonst immer alles. Loretta ist Scheidungsanwältin, hätte aber auch eine echt gute Privatdetektivin abgegeben. Sie ist nämlich ein Ass in jeder Art von Recherche. Praktischerweise ist sie zudem seit Kindertagen meine beste Freundin. Zu ihr bin ich geflüchtet, nachdem Gregor meine Wohnung verlassen hat. Ich erwische sie gerade noch an ihrer Wohnungstür, als sie sich in ihrem schicken grauen Nadelstreifenanzug, der sich um ihren langen, schlanken Körper schmiegt, die kurzen schwarzen Haare akkurat frisiert und die dunklen Augen durch dezentes Make-up betont, auf den Weg in die Kanzlei machen will. Ein Blick in mein Gesicht reicht und schon zieht sie mich in ihre schicke Vier-Zimmer-Altbauwohnung hinein und sagt telefonisch die ersten zwei Termine des Morgens ab.
»Das ist doch nicht nötig«, protestiere ich schwach, bin aber dann doch dankbar, als sie meine Einwände mit einer Handbewegung vom Tisch fegt. Nachdem ich mich ausgeheult habe, drückt Loretta mir meinen mit grünem Tee gefüllten Lieblingsbecher in die Hand, den mit den rosa Rosen drauf, aber selbst der kann mich heute nicht aufheitern. Ich sitze neben Loretta in ihrem Arbeitszimmer und betrachte die langen Reihen von Gesetzesbüchern, die sich in den weißen Regalen an der Wand befinden, während meine Freundin in die Tasten haut und in Windeseile alles Wissenswerte über SIE herausfindet. Über Anna Landahl. Seinen Namen hat sie also auch angenommen. So eine Gemeinheit! Insgeheim hatte ich ja schon meine neue Unterschrift geübt. Luzie Landahl. Ich weiß, vielleicht etwas voreilig, wenn man den Typen erst seit vier Wochen kennt. Aber ich sage doch, er ist meine große Liebe. Der Mann meines Lebens. Dachte ich jedenfalls. Bevor ich wusste, dass es schon eine Frau Landahl gibt. Und zwar eine, die nicht seine Mutter ist.
Vollständige Taschenbucherstausgabe 05/2009
Copyright © 2009 by Jana Voosen Copyright © 2009 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlagillustration: © Dorling Kindersley; Floresco Productions/
OJO Images/Getty Images
eISBN : 978-3-641-03401-6
www.heyne.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher