Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
teilgenommen, und »jetzt haben wir Freiheit. Wir sind alt und frei. Hätten wir damals nicht demonstriert, dann wären wir vielleicht nicht ›frei‹, aber wir hätten eine gute Gesundheitsversorgung. Wir haben einen Fehler gemacht, wer hätte das gedacht? Damals hatten wir es besser.«
Natürlich hat nicht jeder in Meißen einen so trostlosen Blick aufs Leben. Nehmen wir zum Beispiel Gottfried Herrlich, den Besitzer des Weinguts und Restaurants Vincenz Richter hier in der Stadt.
Meine Psyche oder, genauer gesagt, mein Magen verlangt nach gutem Essen, der Fünf-Sterne-Variante, sonst breche ich zusammen. Ja. Ich bin dafür geboren, reich zu sein, im Ernst.
»Am Sonntagnachmittag«, predigt Gottfried, »als Gott entspannt war und sich sehr wohl fühlte, erschuf Er das Restaurant Vincenz Richter.«
Wenn man Deutschland wirklich kennenlernen will, muß man in einem Weinrestaurant wie dem von Vincenz Richter einkehren. Dort findet man die deutsche Seele.
»Ich bin ein dummer alter Deutscher, aber ein paar Dinge weiß ich. Die Deutschen kombinieren alle fünf Sinne, alle zugleich, wenn sie Wein trinken: Fühle das Glas. Schau dir die Farbe an. Rieche den Wein. Trinke ihn. Höre den Wein.«
HÖRE den Wein?
Statt mir zu antworten, läßt Gottfried seinen Kellner drei verschiedene Weine in identische Gläser einschenken. Dann hält er mir seine Tischpredigt:
»Der Vater aller Weine ist der Burgunder, ein reiner Wein, der wie Bach ist – der Vater der Musik.
Der Riesling, der König der deutschen Weine, ist wie Mozart – der König der Musik.
Der Traminer, ein kraftvoller Wein, ist wie Beethoven – der Vater der Götter.«
Bei jedem Glas Wein erklingt eine andere Musik. Auf diese Weise »hören« wir den Wein.
Er beschließt seine Unterweisung mit den Worten: »Tief zu denken, einer Sache auf den Grund zu gehen, das ist deutsch.«
Das glauben Sie nicht? Überlegen Sie es sich noch mal. Hier können Sie lesen, was Gottfried an die Frontseite seines Betriebs geschrieben hat, direkt über dem Namen des legendären Restaurants:
»Schöne Frauen, die macht der Herrgott allein, schöne Häuser aber und Wein müssen von Menschenhand geschaffen sein.«
Während ich mir in diesem 500jährigen Haus ein köstliches Abendessen schmecken lasse, zeichnet Gottfried einige Kreise auf ein Blatt Papier. Der Kreis in der Mitte, erklärt er, ist Deutschland. In seinen Worten: »Wir sind in der Mitte. Nicht heiß wie im Süden, nicht kalt wie im Norden. Die Mitte. Bach konnte nur von uns kommen. Wir, die mitteleuropäischen Menschen, haben uns unter Kontrolle. Das ist deutsch.«
In Meißen gibt es Meissen, die berühmte Porzellanmanufaktur. Dort denkt man nicht an Frauen und Wein, wie Gottfried. Man denkt politisch korrekt. Ein großes Schild verkündetam Eingang: »Alle Nationen sind willkommen.« Ein kleines Hinweisschild darüber verrät: »Restaurant Meissen, täglich geöffnet ab 11.00 Uhr«.
Sobald man drinnen steht und merkt, man ist willkommen, kann man auf Einkaufstour gehen. Die hier angebotenen Artikel rangieren zwischen 39 und 100000 Euro. Welcher Nationalität auch immer Sie sind, man wird Ihre 100000 Euro akzeptieren.
Zugegeben, es ist ein schöner Laden. Die Reichtümer hier sind von prahlerischem Stolz.
Zu viele Gegensätze in Sachsen. Kann mir jemand dieses Sachsen erklären?
Vielleicht Stanislaw Tillich, der sächsische Ministerpräsident. Aber anstatt mit mir über Sachsen zu sprechen, werde ich von ihm über Israel belehrt und warum immer noch kein Friede zwischen Israelis und Palästinensern herrscht. Seine weitschweifige Erklärung läuft letztlich auf folgendes hinaus: Die Israelis möchten ohne Umwege zum Strand am Toten Meer.
Als wir uns verabschieden, erzähle ich ihm, daß ich mit dem Gedanken spiele, nach Görlitz zu fahren. Er bestärkt mich in diesem Vorhaben. Ich solle das Heilige Grab besuchen. Es sei eine genaue Kopie des Grabes in Jerusalem.
Israel schon wieder …
Bevor ich nach Görlitz fahre, bringe ich mich auf den neusten Stand darüber, was die Welt bewegt, zumindest in Deutschland.
»Deutsche Wut über die Festivalopfer richtet sich gegen den Bürgermeister«, meldet die Associated Press .
Unter der Überschrift »Tödliche Stampede in Deutschland hat ihren Bösewicht gefunden« berichtet die New York Times , daß »Politiker im ganzen Land, Zeitungen und Fernsehkommentatoren sowie viele Duisburger Bürger Herrn Sauerland zum Rücktritt auffordern«.
Und die Deutsche
Weitere Kostenlose Bücher