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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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versetzte ihr einen solchen Stoß, dass der Deckel abfiel. Lady Parrys erlesener neuer Hut fiel heraus in den Straßendreck. Wie ein verwundeter Paradiesvogel blieb er dort liegen.
      „Au!“ Ihr Arm tat weh und zu ihren Füßen lag das Ergebnis stundenlanger Arbeit und feinster Materialien, von den Federn ganz zu schweigen, die nur noch ein schlammiges Häuflein Elend waren.
      Ohne sich zu entschuldigen, gab der Mann ihren Arm frei. „Den Hut zwischen den Rädern der Kutsche zu sehen, ist mir wesentlich lieber, als mir den Anblick von Ihnen in selbiger Lage vorzustellen.“ Er trat hinaus auf die Straße, hob Hut und Schachtel samt Deckel auf, ließ das verschmutzte Stück in die Schachtel fallen und händigte Talitha diese aus. Danach zog er ein großes, weißes Schnupftuch aus dem Ärmel und rieb sich damit den Schmutz von den Handschuhen. „Mein Kammerdiener kontrolliert stets, ob ich ein sauberes Schnupftuch bei mir trage, wenn ich ausgehe. Wie außerordentlich erfreut wird er sein, dass es tatsächlich einmal nötig war.“
      Dafür, dass sie ja mit ihm zusammengestoßen war, und nicht umgekehrt, und sie ihm darüber hinaus wütende Vorhaltungen gemacht hatte, klang er recht höflich und gelassen. Ebenso klang er, wie Talitha ungläubig feststellte, erschreckend bekannt. Nein, sicher nicht – das konnte nicht sein! Talitha fuhr vor Überraschung zusammen. Sie verbarg ihre Verwirrung, indem sie in ihrer Tasche nach ihrem eigenen Taschentuch suchte.
      „Ja, natürlich, Sie haben vollkommen recht, es tut mir sehr leid, Sir“, brachte sie hervor, während sie vorgab, sich die Tränen zu trocknen. „Ich muss wohl in Sie hineingelaufen sein, Sir. Entschuldigen Sie vielmals.“ Sie merkte, wie sie errötete. Ihr wurde heiß.
      „Das kann schon sein, aber darauf kommt es nicht an. Gehört das denn alles Ihnen?“ Mit großer Geste und hochgezogenen Augenbrauen deutete er auf die herumliegenden Schachteln.
      „Ich war gerade dabei, sie auszuliefern.“ Talitha war sich sicher, dass sie mittlerweile dunkelrot angelaufen sein musste. Ihr Verstand arbeitete kaum noch, und doch musste sie dieses Zusammentreffen beenden, musste sich mitsamt den Hutschachteln schnellstens aus dem Staub machen, bevor seine Erinnerung sich regte. Mit jedem Wort, das er sprach, wurde ihr deutlicher, dass dies der Mann sein musste, den sie Nick genannt hatten – Mr Harlands Alexander der Große – der Mann, der sie nackt im Schrank versteckt gefunden hatte.
      Er hat dein Gesicht nicht gesehen, du hast kein Wort gesprochen, rief sie sich in einem Anflug von Verzweiflung ins Gedächtnis.
      „Hmm. Ich glaube kaum, dass Ihre Arbeitgeberin darüber sehr erfreut sein wird“, stellte er lakonisch fest, wobei er einen weiteren Blick auf die Hutschachteln warf, die Talitha eingesammelt und zu ihren Füßen aufgereiht hatte, jede mit zumindest einem unerfreulichen Fleck darauf.
      Sie funkelte ihn an. Ihr gesunder Menschenverstand setzte sich wieder durch, ihre Wut kehrte zurück. Natürlich würde er sie nicht erkennen – soweit es ihn betraf, war sie die bescheidene Assistentin einer Hutmacherin, einer Klasse angehörig, die sich so weit unter der seinen befand, dass sie so gut wie unsichtbar für ihn war. „Nein, das wird sie nicht“, stimmte sie ihm mit zusammengebissenen Zähnen zu. „Haben Sie eine Ahnung, was der Hut kostet, der da eben herausgefallen ist?“ Sie wusste, sie sollte einen Gentleman wie diesen nicht so ansprechen, vor allem nicht, nachdem er sich am Tag zuvor ihr gegenüber wie ein echter Kavalier verhalten hatte. Ihr Gefühl schrie ihr jedoch zu, ihn auf Distanz zu halten. Sie hob eine der Hutschachteln auf und hielt sie im Arm, eine lächerlich schwache Barriere zwischen sich und diesem Ausbund an Männlichkeit.
      Er lupfte den Deckel von der Schachtel, die sie im Arm hielt, und warf einen Blick hinein. Dabei kam er ihr sehr nahe, nah genug, dass sie seine geradezu unanständig langen Wimpern betrachten konnte, zu lang und dunkel für einen solch maskulin aussehenden Mann. Sie standen so eng beieinander, dass sie sein herbes, leicht nach Zitrone duftendes Parfum einatmete. Außerdem war sie ihm nah genug, um das verschmitzte, belustigte Glitzern in den grauen Augen wahrnehmen zu können, das aufblitzte, als er merkte, wie aufgebracht und entrüstet sie war.
      „Madame Phanie?“, fragte er.
      „Nein, Madame D’Aunay.“
      „Aha. Dann macht das fünf Guineen.“
      Was haargenau

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