Aller Heiligen Fluch
ihren geheiligten Ruhestätten entfernt haben.» Er hält kurz inne und sieht Caroline an. «Unsere Vorfahren haben Unrecht getan, indem sie die Knochen entwendeten, und auch mein Vater hat Unrecht getan, indem er sie hier im Museum behielt, obwohl er sie längst den Gefilden ihrer Väter hätte überantworten müssen.» Eine schöne Formulierung, denkt Ruth. Hat er die von Bob, der ihn aufmunternd anlächelt, oder von Caroline, die mit wildem Blick ins Weite schaut? Ob sie findet, dass eigentlich sie diese Rede hätte halten müssen? Schließlich war sie es, die sich für die Rückgabe der Gebeine eingesetzt hat. Und jetzt soll Randolph im Mittelpunkt stehen, bloß weil er ein Mann ist? Das zumindest hat sich seit der Zeit von Bischof Augustine nicht geändert.
«Wir geben die Ahnen der Mutter Erde und der Liebe ihres Volkes zurück. Wir gedenken jener, die von uns gegangen sind, allen voran meines Vaters, Lord Danforth Smith.» Er stockt ein wenig, sieht wieder zu Caroline hinüber. Dann gewinnt seine Stimme ihre Kraft zurück. «Wir gedenken auch Neil Tophams, dem das Museum so viel bedeutet hat und der die alten Verstorbenen auf seine Weise ehrte.» Er hebt den Kopf, stolz wie ein französischer Adliger, der noch eine letzte Ansprache hält, bevor man ihn zur Guillotine führt. «Wir bitten darum», sagt er, «dass unsere Familie, die Familie Smith, von dem Fluch befreit werden möge, den unser Vater auf sich gezogen hat. Wir bitten darum, frei zu sein, so wie die Ahnen nun frei sind.»
Applaus brandet auf, spärlich und ein wenig blechern hier draußen im Freien, doch die meisten Gäste sind sichtlich perplex, dass von einem Fluch die Rede ist. Ruth beobachtet, wie Phil hinter vorgehaltener Hand mit Shona kichert, und auch einige Reporter lächeln, während sie sich bereits die amüsante Wendung ausmalen, die sie ihrem Artikel geben wollen. Doch Caroline drückt ihrem Bruder mit echter Dankbarkeit die Hand, und Bob Woonunga bedenkt beide mit einem gütigen Lächeln.
Jetzt setzt Whitcliffe zu einer endlosen Rede über die Verständigung unter den Völkern an. Nelson, der neben ihm steht und eine solidarische Miene aufgesetzt hat, hätte insgeheim nichts dagegen, wenn ein Aborigine-Blitz vom Himmel herabfahren und seinen Chef in eine Kröte verwandeln würde. Er sucht Ruth in der Menge und sieht sie neben diesem Archäologen stehen, der ihm vor knapp zwei Jahren solchen Ärger gemacht hat. Sind die zwei jetzt zusammen? Wahrscheinlich sollte er ihnen alles Gute wünschen; Ruth kann etwas Gesellschaft gut brauchen, und er selbst ist schließlich verheiratet und seit seiner Erkrankung und anschließenden Wunderheilung anscheinend noch verheirateter als je zuvor. Michelle scheint Eifersucht und Missgunst hinter sich gelassen zu haben; jetzt ist sie fast beängstigend stark und optimistisch. Sie hat sogar eingewilligt, dass er Katie sehen darf. Nelsons Miene wird weich, als er an Katie denkt.
Schließlich kommt Whitcliffe doch noch zum Ende. Bob hält eine kurze, dafür umso poetischere Rede, mit der er die Ahnen zurück im geheiligten Land begrüßt. Streng genommen sind sie natürlich überhaupt noch nicht rückgeführt. Ihr Weg endet erst, wenn das Flugzeug des Luftfahrtunternehmens Qantas sie in zwei Tagen am Flughafen von Brisbane absetzen wird. Und auch danach haben sie noch eine weite Reise zu Land und Wasser vor sich, bis zu den Minjerribah, den Inseln in der Bucht. Dennoch ist die Übergabe im Grunde bereits abgeschlossen. Bob reicht Randolph und Caroline die Hand, Derel legt das Didgeridoo an die Lippen, und eine neue Melodie erklingt – eine glücklichere, fröhlichere Weise. Der Rauch des Feuers steigt in den Winterhimmel empor (später wird Stanley sich telefonisch beschweren). Das kleine Mädchen, Alkiras Tochter, wirft gewissenhaft die Feder in die Flammen.
Vielleicht ist ja der Rauch schuld, doch plötzlich erheben sich die Stare, die auf den umliegenden Dächern saßen, in die Luft und bilden ihre eigene pechschwarze Wolke. Murmuration, denkt Nelson. Woher kennt er bloß dieses Wort? Als die Menge sich zerstreut, findet er sich plötzlich neben Randolph Smith wieder.
«Wie läuft es denn mit dem Rennstall?», fragt er.
Tamsin Smith und Len Harris sitzen beide in Untersuchungshaft und erwarten ihren Prozess. Tamsin streitet weiterhin alles ab, und da sie sich einen ebenso teuren wie skrupellosen Anwalt genommen hat, wird es wohl ein ordentlicher Kampf werden. Nelson freut sich bereits darauf; er
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