Aller Heiligen Fluch
weiß.
«Woher weißt du davon?», herrscht sie ihn an.
«Ich wollte zu der Sargöffnung und wurde an der Tür von diesem trotteligen Wachtmeister abgefangen. Es hieß, der Direktor wäre tot aufgefunden worden.»
«Stimmt.» Ruth sieht keinen Sinn darin, etwas abzustreiten, was am nächsten Tag ohnehin in allen Zeitungen stehen wird. «Es muss aber gar nichts Verdächtiges daran sein. Der arme Kerl hatte vielleicht einfach einen Herzinfarkt.»
Cathbad mustert sie. «Glaubst du das wirklich?»
Typisch Cathbad. Sein Versuch, sie dazu zu bringen, mehr zu sagen, als sie eigentlich will.
«Ich glaube gar nichts.» Ruth macht sich daran, zerdrückte Schnittchen einzusammeln. Es ist eindeutig mehr Essen auf Tisch und Boden gelandet als in den Bäuchen der Kinder, obwohl Daisy sich langsam, aber sicher durch die Schokokekse arbeitet. «Warum interessiert dich das überhaupt?»
Cathbad wirft ein Cocktailwürstchen in die Luft und fängt es mit dem Mund auf. Ein effektvolles Kunststück. Daisy, die als einziges der Kinder noch am Tisch sitzt, sieht ihn mit großen Augen an.
«Hast du schon mal von den Elginisten gehört?», fragt er, nachdem er das Würstchen verzehrt hat.
«Nein», sagt Ruth. «Sollte ich?»
«Ich weiß nicht», gibt Cathbad süffisant zurück. «Solltest du?»
Ruth will gerade erwidern, dass er sich das mysteriöse Getue gefälligst sparen soll, da kommt Kate heran, einen Luftballon in der einen und ein Schottisches Ei in der anderen Hand. Sie gibt Cathbad beides zum Halten und klettert ihm dann zielsicher auf den Schoß.
«Dada», sagt sie.
Es wird sieben Uhr, bis sich die Gesellschaft zerstreut. Daisy hat sich auf die Treppe übergeben, und Kate ist wie ausgeknipst auf dem Sofa eingeschlafen, ein angebissenes Stück Geburtstagskuchen noch in der Hand. Ruth deckt sie zu und räumt dann weiter auf. Sie spürt, wie sich zwei sehr konkrete Gedanken durch die ständig präsente, formlose Masse von Sorgen (Wer wird sich um Kate kümmern, wenn Ruth krank wird oder stirbt? Wann wird sie endlich wieder Zeit finden, einen Artikel zu schreiben oder einen Vortrag zu halten? Wird Phil sie feuern, wenn sie das nicht bald macht? Warum nimmt sie bloß nicht ab? Wer ist eigentlich Kerry Katona, und was soll noch aus dieser Welt werden?) nach oben arbeiten. Der erste ist das quälende Gefühl, dass Nelson eigentlich hätte anrufen müssen. Natürlich weiß sie, was er über die Kontaktsperre gesagt hat, aber sie kann sich einfach nicht vorstellen, dass er den Geburtstag seiner eigenen Tochter ignoriert. An Kates «Namenstag» sind Michelle und er mit einem übertrieben teuren Geschenk aufgetaucht. Aber da wusste Michelle ja auch noch nichts. Und Ruth war noch nicht offiziell die Hure von North Norfolk. Es tut ihr einfach leid für Kate. Jeder sollte doch von beiden Elternteilen etwas zum Geburtstag geschenkt bekommen. Selbst ihre eigenen Eltern haben ihr immer etwas geschenkt, auch wenn es sich, nachdem sie zu Gott gefunden hatten, meist um Kinderbibeln oder irgendwelche scheußlichen Veröffentlichungen über Missionare in China handelte. Aber Bibeln sind besser als gar nichts. Was soll sie Kate bloß sagen, wenn sie einmal alt genug ist, um den Mangel zu bemerken? Womöglich muss sie Cathbad als Vater ausgeben.
Cathbad ist gegangen, ohne sich näher über die Elginisten auszulassen. War Elgin nicht so ein Komponist? Nein, der hieß Elgar. Elgin, das war der mit den Marmorfriesen. Aber was haben die Elgin Marbles aus dem British Museum mit dem Smith-Museum in King’s Lynn zu tun? Soweit Ruth das beurteilen kann, gibt es da doch nur ausgestopfte Tiere.
Das führt sie direkt zu ihrer aktuell größten Sorge: Wo in aller Welt steckt Flint? Er hat in dem Moment die Flucht ergriffen, als sich fünf Kinder mit dem Schlachtruf «Miez-miez-miez!» auf ihn stürzten. Ruth kann es ihm nicht verdenken. Sie ist davon ausgegangen, dass Flint sich eine Weile im Garten verstecken und dann zum Abendessen zurückkommen wird. Normalerweise frisst er immer um sechs, wenn Ruth von der Arbeit kommt, doch als Big Ben im Radio die Stunde schlug, tauchte kein rotgetigerter Kopf in der Katzenklappe auf. Ruth ist in den Garten hinausgegangen und hat mit der Trockenfutterschachtel gerappelt: «Flint! Essen!» Aus dem Augenwinkel hat sie gesehen, dass vor dem Häuschen nebenan ein Umzugswagen steht. Das gefürchtete Hipster-Pärchen ist also eingetroffen, doch einstweilen kann Ruth nur an Flint denken. Vielleicht jagt er ja
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