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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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Kapitel 1
    In der Nacht davor fand Silas überhaupt keinen Schlaf. Allerdings hielt ihn weder Sorge noch Besorgnis wach. Mit weit geöffneten Augen starrte er in die Dunkelheit. Er hatte nichts zu befürchten, denn er war ein eifriger Priester, der dem Licht nach besten Kräften diente. Sein Glaube war stark. Silas Fage hatte vollstes Vertrauen, dass auf seinen kurzen Dienst in dieser Welt ein ewiges Leben in den liebenden Armen seines himmlischen Vaters folgen würde.
    Nein, freudige Erwartung war es, die während dieser langen Stunden seine Gedanken in Aufruhr versetzte. Gerechtigkeit war süß. Nicht Rache! Er durfte keine Rache darin sehen. Rache war Gewalt und daher vom Lehrer untersagt – ausgenommen natürlich Gewalt gegen Ungläubige, und darum ging es hier doch wohl. Rache war etwas Persönliches, und Fage hatte überhaupt nichts dazu beigetragen, diese Vergeltung herbeizuführen; es war alles Gottes Werk, und daher war es göttliche Gerechtigkeit, nicht Rache. Der kommende Morgen würde die Strafe für vergangenes Unrecht bringen. Fage hatte das Verbrechen nie vergessen, aber auch niemals Rache gesucht. Der himmlische Vater hatte es ebenfalls nicht vergessen, und jetzt belohnte er den geduldigen Eiferseines Dieners dadurch, dass er dem Schuldigen den Urteilsspruch verkünden durfte. Heute würde die Bestrafung beginnen.
    Es dauerte lange bis zum Morgen. Am Ende musste Fage doch eingenickt sein, weil ihn Hahnenschreie jäh daran erinnerten, dass er aufstehen, die Glocke des Schlosses läuten und den frühmorgendlichen Gottesdienst zur Begrüßung des Lichts abhalten musste.
    Eine andere, die in dieser Nacht wenig Schlaf fand, war Agnes Woodbridge. Wie gewohnt hatte sie die Dienerinnen zu Bett geschickt – denn einige hingen nicht dem wahren Glauben an und verdienten daher kein Vertrauen – und war hinab in die verborgene Kapelle gestiegen. Wie immer dankte sie auf den Knien der Mutter für all die Segnungen, die sie empfangen hatte.
    Sie betete darum, würdig zu sein. Sie betete für Edgar, den besten, freundlichsten, getreulichsten Gatten in ganz Albi. Sie betete für ihre Kinder: Bram, Maddy, Henry und Rollo. Alle waren liebenswert und verdienstvoll, aber in diesen Tagen betete sie besonders für Rollo. Für Rollo, den Ältesten, Rollo, den Klügsten, Rollo, den Begabtesten, und jetzt für Rollo in der allergrößten Not. Bevor die entsetzliche Nachricht vor zwei Wochen eingetroffen war, hatte ihr Gebet nur ein paar Minuten gewährt. Jetzt dauerte es die halbe Nacht.
    Dennoch schien es nicht lange, bis sie die vertrauten Schritte auf der Leiter vernahm. Edgar war gekommen, um sie abzulösen. Steif erhob sie sich. Er küsste sie auf die Wange, sprach aber kein Wort. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Sie ging hinauf ins Bett, und er nahm ihren Platz vor dem geheimen Altar ein.
    Der Tag brach an, klar und warm für das Frühjahr. Der Hain war eine Pracht aus rosafarbenen und weißen Blüten. Pflaumen, Äpfel, Kirschen, Pfirsiche – zu dieser Zeit des Jahres folgten die Früchte einander wie Tänzer auf einer Bühne. Die Knechte arbeiteten vonfrüh bis spät, sie pflügten, säten, besserten Zäune aus. Lerchen jubilierten und Rammler tanzten.
    Maddy und Henry Woodbridge ritten aus. Ursprünglich hatten sie nach den Lämmern auf der Weide im Westen sehen wollen, mussten jedoch an einer Furt umkehren, da der Bach, der normalerweise ein kleines Rinnsal war, an diesem Tag dunkel und rasch dahinströmte, angeschwollen vom Tauwasser des Frühlings. Dort ließen sie jeden Gedanken an ihre Pflichten fallen und genossen einfach den Ritt, der sie in einem beschwingten Galopp zurück zum Herrenhaus führte.
    Maddy lachte tatsächlich während ihres gespielten Wettritts zum Parktor. Das Rennen war gespielt, weil beide viel zu sehr darauf bedacht waren, die ermüdeten Pferde nicht zu überanstrengen. Das Gelächter tönte ihr seltsam in den eigenen Ohren, und ihr ging auf, dass sie nicht mehr laut gelacht hatte, seitdem sie von Rollos Verhaftung gehört hatte. Sogleich verspürte sie ein heftiges Schuldgefühl. Sie fing Henrys Blick auf und sah seine Fröhlichkeit schwinden, als er erriet, woran sie gerade dachte.
    Henry war immer schon unheimlich scharfsichtig gewesen. Inzwischen zählte er fast zwanzig Jahre, war ihr jedoch seit Rollos Weggang vor drei Jahren ein getreuer großer Bruder gewesen. Wie alle Woodbridges war er groß, hatte pechschwarzes Haar und eine überraschend helle Haut. Er trug seinen

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