Alles Boese mir vergib
sich auf dem Sofa den Hintern platt.
Liv und Mateus hatte das Lernfieber gepackt. Liv musste kleinlaut zugeben, dass sie in Physik nur zehn Punkte bekommen hatte, ein Schandfleck in ihrem Zeugnis, und dass sie überlegt hatte, dagegen zu klagen. Mateus hatte zweimal zehn Punkte abgesahnt und lag weiter gut im Rennen.
„Ist dir das eigentlich alles total egal?“, hatte er gefragt, als wir den letzten richtigen Schultag feierten.
Und ja – das war es mir. Völlig egal. Während des gesamten Prüfungszeitraums hatte ich ständig versucht, Liv und Mateus in die Stadt zu locken, in die A-bar , ins Kastellet . Vergeblich. Liv musste lernen. Mateus musste ENTWEDER lernen ODER Zeit verbringen mit … seufz seufz seufz … Veronica. Veronica mit dem Beinamen Kastrations-Dominatrix, weil sie es innerhalb einer Woche – länger hatte es nicht gedauert – geschafft hatte, aus einem vor Hormonen sprühenden Mateus einen Typen zu formen, der in Badelatschen zum Supermarkt schlurfte. Er verteidigte sich, ich redete vergebens dagegen an, Liv sagte nichts,und wir gingen jedes Mal dieselben Scheißrituale durch, dieselben Argumente, und zum Schluss war immer ich der Gelackmeierte.
Szene: Liv, Nick und Mateus auf dem Basketballfeld. Liv mit hüpfendem Pferdeschwanz, Mateus mit bierernster Miene. Nick an der Seitenlinie hockend.
Liv: „Na, Nick, hast du dir das mit der Quantenphysik schon angesehen?“
Nick: „Quantenphysik? Klingt ja spannend.“
Mateus: „Ich hab mir das schon angeschaut, Liv. Wir können das gern miteinander durchgehen. Nur nicht heute Abend, denn da muss ich …“
Nick: „Wenn du dich irgendwann von Livs Schienbein und Veronicas Lackstiefel befreit hast, gehst du dann mit ins Huset zu Per Vers ?“
Mateus/Liv: „Jetzt hör mal auf, Nick. Das ist echt wichtig.“
Nick: „Ich habe noch nie gehört, dass jemand von Quantenphysik ein glücklicher Mensch geworden ist.“
Mateus: „LIV, pass zu mir! Zu mir!“
Das Schlimmste war nicht, dass sie mich für einen Idioten hielten. Auch nicht, dass wir uns langsam, aber sicher voneinander entfernten. Ich mochte sie beide. Aber ich hatte die Schnauze voll von dieser Streberei. Mir war das alles so was von egal. Und das war das Schlimmste. Denn das hieß, dass auch sie mir immer öfter egal waren.
Der Pudel von Baskerville
Mein Vater saß mit seinem breiten Rücken zu mir gewandt im Unterhemd am Küchentisch. Er stand mit einem Ruck auf und breitete die Arme aus.
„Hi, son“, sagte er. Er legte sein raues Kinn an meines. Jedes Mal, wenn er das machte, wurde ich in eine längst vergangene Geborgenheit zurückversetzt. Ich hatte keine Lust, mich in seinen Armen sicher zu fühlen. Denn die waren nicht sicher. Dennoch gab ich nach und drückte ihn auch. Es war schön, so bescheuert es auch war.
„Ye mom is worried, ye know“, sagte er. Klar war sie das. Ich befreite mich freundlich und bekam den obligatorischen Kniff in den Nacken. Er lächelte. Mein Vater freute sich immer, mich zu sehen.
Ich holte eine Packung Milch aus dem Kühlschrank und trank einen halben Liter. Dann ging ich rauf in mein Zimmer. Sandra hockte in IHREM Zimmer, so wie jeden Tag in den letzten drei Wochen – aufgelöst in altem Make-up, mit fettigem Haar und Jogginganzug.
Meine Dänischsachen lagen auf dem Schreibtisch. Die sogenannten „Notizen“ aus den Unterrichtsstunden bestanden aus Totenschädeln, Schmierereien und Karikaturen der Lehrer. Der Rektor hatte mich geradeheraus gefragt, ob ich es gewesen sei, der die Karikatur von unserem Französischlehrer gezeichnethatte, die ihn auf einer Guillotine mit dem Tod als Scharfrichter zeigte. Meine Antwort war einleuchtend. Die Wahrheit auch.
Ich blätterte in den Notizen. Sie ergaben überhaupt keinen Sinn. Ich blickte auf die Liste mit dem Lese-/Lernstoff. Es war eine Prüfung, auf die man sich sowieso nicht vorbereiten konnte. Man bekam einen Text ausgehändigt und musste bei null anfangen. Sobald diese Kacke überstanden war, würden die Sommerferien beginnen, und das sollte eigentlich eine geile Sache sein.
So richtig freuen konnte ich mich aber nicht. Ich hatte große Lust, sie in dicken Nebelschwaden aus Pott zu durchleben. Bei all diesen Zukunftsaussichten, die sich uns boten, wurde mir ganz schlecht. Zum Glück standen auch Abipartys, Strandausflüge und Festivals vor der Tür. Doch da winkte gleich der nächste Schlamassel, weil Mateus und Liv Karten für das Roskilde-Festival gekauft hatten. Liv hatte ein
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