Alles Boese mir vergib
wissen. Tony hatte zusammen mit einem Kumpel die Schläge ausgeteilt. Dafür waren sie von einem Haufen rachsüchtiger Bash-Back -Schwuler vermöbelt worden, und Tony hatte einen leichten Hirnschaden davongetragen. Mir fehlte Rasmus, obwohl er bis zu seiner Dragqueen-Show an der Schule ziemlich over-the-top-homo gewesen war. Er fehlte mir, weil er trotz allem versucht hatte, etwas anderes zu tun als das, was von ihm erwartet wurde. Und es war sehr deutlich geworden, was man mit Leuten anstellte, die so etwas durchzogen.
„Tony wird für den Rest seines Lebens mit Kopfschmerzen leben müssen, ansonsten wird er sich wohl berappeln, körperlich gesehen jedenfalls“, sagte Mateus. „Aber ein paar aus seiner Klasse meinten, dass er sich verändert habe. Ich meine … Er soll ruhiger geworden sein und so.“
Wir sagten eine Weile nichts. Im Hintergrund lief Johnny Cashs Give my love to Rose .
„Roskilde wird bestimmt voll der Hammer“, sagte Liv. Mir schnürte sich sofort der Magen zusammen.
„Veronica und ich stellen uns schon ein paar Stunden, bevor Muse auftritt, ganz vorn an die Bühne. Wegen denen gehen wir ja überhaupt hin.“
Ich grinste, während mein inneres Ohr versuchte, die Geräusche am Bahnhof von Hellerup zu entschlüsseln. Hatte ich ein Knirschen gehört?
Mein Vater saß am Küchentisch und las Tom Clancy. Ich bekam DIE UMARMUNG . Er wollte nichts über die Prüfung wissen. Wenn man ausnahmsweise mal zwölf Punkte bekommen hat, wäre es ziemlich geil, gefragt zu werden. Seit ich vom Kastellet aufgebrochen war, hatte ich das erste Lied von Faith No Mores fünftem Album im Kopf; daher rannte ich in mein Zimmer, um es aufzulegen. Sandra und ich wohnten Tür an Tür, ihre war angelehnt.
In der letzten Zeit war unser Verhältnis nicht besonders rosig. Vielleicht war es das nie gewesen. Es gab viele gute Gründe, weshalb sie mich für einen Idioten hielt, und umgekehrt.
a) Ich hatte es nicht über mich gebracht, offen zu zeigen, wie scheiße ich es fand, dass mein Vater zurückgekommen war, denn meine Mutter und Sandra waren darüber völlig aus dem Häuschen. Aber es war wohl trotzdem ziemlich deutlich, dass mir das Ganze stank. Und jedes Mal, wenn ich es andeutete, platzte mir wegen Sandras kreischender Stimme fast das Trommelfell. Aber mit der Zeit wird man immun gegen ihre Anfälle.
b) Ihr leichtfertiger Umgang mit ihrem Unterleib hatte ekelerregende Höhen erreicht, seit sie Joakim kannte. Joakim arbeitete bei The Voice TV . Na gut, nein, Joakim war natürlich Moderator. Joakim hatte ein Motorrad. Joakim war ein schleimiger Affe. Und nun auf einmal sollte man beeindruckt sein, weil er mit B-Promis Party machte. Joakim war der Pudel von Baskerville.
c) Ein „Gespräch“, das wir neulich führten, hat bei mir einige Narben hinterlassen. Gespräch, Streit, wie auch immer. Ich hatte irgendetwas Niederträchtiges über ihren Hang zu Sackläusen gesagt, sie erwiderte (schrie), dass ich auch nur ein blöder Sack sei. Ich erwähnte alle ihre Loser-Freunde, woraufhin sie erzählte, dass sie leider auch Jonathan gefickt ( GEFICKT ) habe. Nach etwa anderthalb Sekunden Stille rief ich: „Hast du nicht!“
Und dann meinte sie auch noch, dass Mateus darüber Bescheid wisse. Also rannte ich schnurstracks zu Mateus. Der bestätigte ihre schrecklichen Behauptungen. Sandra hatte sich mit Jonathan getroffen. Ich hatte davon nichts mitbekommen, weil ich zu der Zeit im Internat gewesen war.
Mit diesem Wissen steckte ich nun den Kopf in ihr Zimmer, das nach mit Mädchenschweiß getränkten Laken und alten Schlüpfern roch.
„Hey, Schwesterherz! Gibst du ordentlich Gas?“ Strähniges Haar, langes T-Shirt, Jogginghose. Normalerweise sah sie annehmbar aus. In der Prüfungszeit blieb Joakim der Zutritt verwehrt.
„Verpiss dich, Nick.“
„Rate mal, wer heute zwölf Punkte in Dänisch bekommen hat?“
Ein Radiergummi schwirrte durch die Luft und traf mich an der Wange.
Noch drei Tage, dann musste sie zum Einstufungstest für Französisch. Angst hoch fünf.
Ich legte Mike Patton auf und schlief ein.
„Nickemann?“ Meine Mutter weckte mich, indem sie mir über die Wange strich. „Essen ist fertig.“
Beim Abendessen wurde wunderbar reibungslos geplaudert. Meine Mutter freute sich sehr über meine Note. Sie erzählte ein bisschen von ihrer Arbeit in der Anwaltskanzlei („Und Erling wollte UNBEDINGT , dass ich mit zu dieser Versammlung gehe, aber ich konnte einfach nicht …“) und mein Vater
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