Alles für die Katz
mit einer Lupe nachspürte. Sie meckerte auch, dass ich bei dem Mädchen im Zimmer schlief und gebrauchte dabei so Formulierungen wie »Krankheiten übertragen« und »Wer-weiß-wo-die-sich-wälzen« und andere Unverschämtheiten, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte.
Der Abend ging ruhig zu Ende.
Eduard trank die lustigmachende Milch, Helmut stopfte Futter in sich rein, Hildegard redete über Dinge, die keinen Menschen und auch keine Katze interessierten und das Mädchen kraulte mich. Sie sagte wenig, war aber sehr lieb.
Halt, fast hätte ich vergessen, dass an diesem Abend noch etwas Entscheidendes passierte:
Aus mir wurde Theo.
Mich störte zwar nicht, dass ich bis dahin nur »die Katze« oder »der Kater« hieß. Aber euch Menschen macht es nun einmal Freude, Dinge mehrmals mit Namen zu belegen.
In solch’ kleinen Dingen bin ich kein Spielverderber.
Am Tisch entwickelte sich eine wilde Aktivität. Hildegard wollte mich »Pussy« nennen, da hätte ich was dagegen gehabt. Das Mädchen konnte mich mit »Mimmi« auch nicht gerade begeistern und Eduard bewies mit »Fritz the Cat«, dass er ein Freund jener Bücher ist, in der die Rölligkeit eine entscheidende Rolle spielt.
Ausgerechnet der dicke Helmut musste die Lösung finden!
Er erzählte, dass ich so dünn wie ein Theo sei, der es einmal in der strahlenden Kiste gegen den Rest der Welt aufgenommen hatte.
So wurde Theo aus mir.
Doch wie die Menschen nun einmal sind, konnten sie es bei der bloßen Namensgebung nicht bewenden lassen. Hildegard hielt mich fest und Eduard, dieser Trottel, schüttete mir durchsichtige Milch über den Kopf.
Es war fürchterlich!
Das Zeug stank!
Als ich mich von der schlechten Milch, die auf meinem Kopf klebte, leckend befreien wollte, gingen auch in mir seltsame Veränderungen vor.
Allerdings wurde ich nicht albern. Mir wurde nur schlecht. Ich taumelte, wollte nur noch in mein Körbchen. Die Familie sah ich auch nicht mehr ganz klar und befürchtete, dass ich bald zwei gläserne Scheiben vor den Augen haben müsste. Dann schlief ich ein, erinnere mich nur noch an das schrille Lachen und Keifen von Hildegard, die wohl unheimliche Freude daran haben muss, wenn es anderen nicht so gut geht. Das gleiche Lachen habe ich von ihr später gehört, wenn sie mit der Nachbarin, eine ganz schlimme Person übrigens, über andere Menschen herzog: »Haben Sie schon gehört, Frau Maaßen. Das scharfe Luder von Lennartz kriegt mit 18 Jahren schon einen Bastard. Hoffentlich nicht auch noch von einem Neger – das soll nämlich auf die Kinder abfärben. Hahahaha.«
Am nächsten Morgen ging es mir sehr schlecht. Daher blieb ich im Zimmer des Mädchens, das mich aber bald verließ, da die ganze Familie in das Haus mit dem Turm ging. An diesem Tag hatte ich, trotz der günstigen Gelegenheit, keine Lust, die Räume unter dem Dach zu erforschen.
KÄTZISCHER ALLTAG
Ich kann euch beruhigen.
Am nächsten Tag ging es mir besser. Die Familie trug nun andere Felle. Eduard war schon früh mit einem Koffer, der so groß wie zwei Dosen Trockenfutter war, weggefahren. Hildegard ging mit einem Katzenkörbchen, das man tragen konnte, Futter besorgen.
Im Hause waren das Mädchen und der dicke Helmut, der sich Federn auf den Kopf steckte und Laute wie »Huhahuhau« von sich gab. Dazu schlug er sich mit der flachen Hand vor den Mund. Er nannte sich an diesem Morgen »Großer Bär«. Dabei sah er aus wie ein ungewöhnlich überfüttertes Wildschwein.
Das Mädchen legte immer mehr ihre Schüchternheit ab. In ihrem Zimmer baute sie mir aus Kissen und Büchern ein Häuschen, in dem ich herrlich schlafen konnte.
Natürlich musste Hildegard die Ruhe stören.
Immer, wenn fremde Menschen zu Besuch kamen, belästigte sie uns mit ihrer traditionellen Hausführung. Dann sagte sie Dinge, die sie überhaupt nicht so meinte: »Du quälst doch das liebe Kätzchen nicht? Vielleicht will unser Theochen ja überhaupt nicht auf den Kissen liegen!«
Bei allen Katzen im Himmel: »Theochen«!
Gerade diese menschliche Ausgabe einer Sumpfkuh musste von quälen reden! War sie es doch, die mir mit Riesenfreude die durchsichtige Milch über den Kopf gegossen hatte! Nun gut, aufmerksame Leser wissen, dass Eduard der Schütter war.
Aber, so frage ich euch: Ist der Festhalter nicht auch schuldig?
Pardon! Ich erschrak gerade über meine eigenen Worte. Das hörte sich ja an, als hätte ein Mann aus dem Haus mit dem Turm gesprochen.
Von denen werde ich euch später
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