Dienstags ist sie nie da - Roman
Eins
Manche können sich den Vater ihres Kindes aussuchen und manche nicht. Manche verbringen Jahre ihres Lebens damit, im gigantisch großen Heuhaufen der männlichen Spezies herumzustochern, und andere trifft es aus heiterem Himmel.
Katy hätte sich nie träumen lassen, dass sie eine von denen sein würde, die es aus heiterem Himmel treffen könnte. Und sie hätte sich mit Sicherheit auch nie träumen lassen, dass sie mit sechsunddreißig Jahren nicht mit einem Ehemann, sondern mit einer Schwangerschaft und mit einem Freund, der acht Jahre jünger war als sie, gesegnet sein würde. Einem Freund, der jetzt in seinem Fußballtrikot neben ihr im Auto saß, während sie auf dem Weg zur ersten Stunde ihres Geburtsvorbereitungskurses waren. Ihr war übel. Sie führte das auf ihre Nervosität vor dem Kurs zurück und auf die Tatsache, dass Ben, der direkt von der Schule gekommen war, in der er als Sportlehrer arbeitete, penetrant nach Turnschuhen, verschwitzten männlichen Teenagern und Kartoffelpüree roch.
Als sie zu ihm hinüberschaute, tröstete sie sich mit dem Wissen, dass er ihr mit Sicherheit ein paar wohlüberlegte Worte der Weisheit sagen würde, um ihr die Ängste zu nehmen; darauf konnte sie sich verlassen.
»Also dieser Typ in der Arbeit sagt, dass man in diesen
Kursen bloß eines tut: zwei Stunden lang über Titten und Muschis reden. Ist das nicht geil?«
Katy starrte Ben noch einen Augenblick an, dann seufzte sie und legte den Gang ein.
»Bitte, sag so was nicht«, sagte sie erschöpft, als sie losfuhren.
»Was?«, fragte Ben, der an jedem Drehknopf, Schalter und Regler herumfummelte, den er an Katys Armaturenbrett erreichen konnte.
»Muschis«, sagte Katy und schlug ihm auf die Finger.
»Ist doch besser als zig andere Wörter, die es dafür auch noch gibt«, meinte Ben. »Ich könnte ja auch sagen …«
»Nein, bloß nicht noch mehr Ausdrücke in dem Stil«, unterbrach ihn Katy. »Du weißt, dass meiner Oma das nicht gefallen würde.«
»Wieso? Ist sie mit von der Partie?«, wollte Ben wissen, klappte das Handschuhfach auf und spähte hinein.
»Sie hieß Fanny, das habe ich dir doch schon mal erzählt«, erwiderte Katy kurz davor, die Geduld zu verlieren.
Ben drehte sich zu Katy um und starrte sie fassungslos an.
»Fanny – wie das englische Wort für Muschi, Möse, Scheide? Das hast du mir nie erzählt. Das ist genau die Art Info, die mir das Leben lebenswert macht und die ich ganz bestimmt nicht vergessen würde.«
»Ach ja?«, sagte Katy.
Sie zögerte und fragte sich, ob sie diese Unterhaltung wirklich weiterführen wollte. Doch dann wurde ihr klar, dass das, was sie schon auf den Lippen hatte, Ben vermutlich einen unvergesslichen Tag bescheren würde.
»Dann habe ich dir wohl auch nie ihren Nachnamen genannt?«, fragte sie.
Ben war einen Augenblick lang tief in Gedanken versunken, dann stieß er begeistert hervor: »Vagina. Es muss Vagina sein«, sagte er und hüpfte auf dem Beifahrersitz auf und ab. »Bitte sag, dass es Vagina war, dann kann ich als glücklicher Mensch sterben.«
»Eigentlich hat sie Mycock geheißen«, erklärte Katy.
Ihre Stimme war mehr als nur ein wenig triumphierend.
Ben starrte sie mit offenem Mund an, geschockt.
»Du willst mich wohl veräppeln«, sagte er schließlich.
»Ihre Eltern haben ihr einen Vornamen gegeben, der im Englischen ›Muschi‹ bedeutet, und das bei einem Nachnamen, der übersetzt »mein Pimmel« lautet? Waren die nicht ganz dicht im Oberstübchen?«
»Nein, du Idiot. Mycock war der Name ihres Ehemannes. Sie wurde nicht als Mycock geboren.«
»Sie hieß Fanny und hat einen Mr. Mycock geheiratet?«
»Ja.«
Ben war ein paar Sekunden sprachlos, dann erklärte er feierlich: »Deine Oma war wirklich ein Comedy-Genie.«
Den Rest der Fahrt redeten sie nicht mehr miteinander, da Ben voll damit beschäftigt war, seinen Freunden die lustigste Namensgeschichte aller Zeiten per SMS oder am Telefon mitzuteilen. Er hing noch immer am Handy, als Katy versuchte, ihre ganze Kraft zusammenzunehmen, um sich aus dem Auto zu hieven. Vorsichtig manövrierte sie ihren dicken Bauch in die gewünschte Richtung und hoffte, dass der Rest ihres Körpers ihm folgen würde. Ihr klassisches schwarzes Wickelkleid hatte sie mit coolen Sandalen mit Keilabsatz und ihrer heißgeliebten Designerhandtasche
kombiniert. Ein Versuch, wie eine Frau zu wirken, die ihre Schwangerschaft voll im Griff hat.
Allerdings hatte Katy den starken Verdacht, dass mit Ben, ihrem
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