Alles fuer ihn - Band 2
meiner vielen Besuche kaum kenne, fahren zu lassen, ist sehr angenehm, doch dieses Privileg stört mich auch ein wenig. Ich will möglichst schnell ein eigenes Auto haben, um mich etwas freier zu fühlen.
Die Avery Fisher Hall liegt direkt am Central Park, in einer der besten Gegenden von Manhattan. Das Gebäude ragt kantig und gebieterisch in die Höhe, die Architektur ist sehr eckig. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich von nun an dazugehören werde. Die Eingangshalle ist riesig, beeindruckend mit den großen Panoramafenstern und dem weißen Marmorboden. Ein kleines Schild weist mir den Weg. Ein Herr nimmt mich in Empfang, er ist eher klein und kurz angebunden, aber hinter seinen Brillengläsern mache ich ein Lächeln aus. Ich lerne Herrn Glen kennen.
„Guten Tag, Miss Haydensen. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich habe viel Gutes über Sie gehört. Die Besprechung wird gleich beginnen, sie ist insbesondere für die Neuankömmlinge wie Sie. Sie werden dann besser verstehen, wie hier alles abläuft.“
„Herr Glen, ich freue mich, hier zu sein.“
„Und wir können es nicht abwarten, Sie spielen zu hören. Danach kommen Sie bitte in mein Büro, um den Vertrag zu unterschreiben. Bis gleich.“
Mein Vertrag! Ich werde meinen ersten Vertrag unterschreiben!
Herr Glen bleibt nicht bei mir, andere Personen kommen an. Ich setze mich und warte geduldig auf den Beginn der Besprechung. Ich beobachte die anderen: Alle haben sie strahlende Augen und ein Lächeln auf den Lippen. Für jeden von uns ist dieser Ort magisch.
Die Besprechung ist schnell vorbei, wir bekommen einige Papiere, vor allem Partituren zur Vorbereitung für die ersten Proben. Das Pensum scheint dicht zu sein, aber der Ruf der New Yorker Philharmonie verlangt das auch. Kleine Enttäuschung: die Neuen werden nicht mit auf Tournee gehen. Man muss erst ein Jahr dabei sein, um an den Reisen teilnehmen zu dürfen. Auch egal, wenn ich vor dem New Yorker Publikum spielen kann, ist das schon ein großes Privileg für eine frisch diplomierte Musikerin wie mich!
Ich gehe zu Herrn Glens Büro. Ein Stapel Verwaltungsunterlagen, die ausgefüllt werden müssen, erwartet mich. Ich mache mich gleich an die Arbeit und fülle sorgfältig all die kleinen Kästchen aus.
Ich schreibe meinen Namen ins Herz der Avery Fisher Hall ein! Bald schon steht mein Name auf dem Programm!
Ich suche Herrn Glen, um ihm das Bündel Papiere zu geben. Feierlich reicht er mir das wertvollste Dokument meines ganzen Lebens. Ich lese es, mein Herz erfüllt sich mit Stolz, und ich unterzeichne.
Geschafft, jetzt ist es offiziell: Ich bin Violinistin in New York!
Strahlend verabschiede ich mich von Herrn Glen. Ich kann das Glück, das ich empfinde, nicht verbergen und mein „Bis Montag!“ sprudelt über vor Freude. Nun habe ich also das ganze Wochenende, um alles zu erkunden und mir die Stadt anzuschauen. Wie sehr wünschte ich, Claire wäre hier und wir könnten gemeinsam ausgehen!
Überglücklich verlasse ich die Avery Fisher Hall. Ich spüre, wie die positive Stimmung mich packt, ich fühle mich gut. Das Gefühl, ausspioniert zu werden, ist verschwunden, ebenso die Befürchtung, angegriffen zu werden. Ich nehme mein Telefon hervor, fest davon überzeugt, dass mich noch eine gute Neuigkeit erwartet. Tatsächlich habe ich eine SMS von Adam:
[Viel zu tun. Ich rufe dich später an.]
Diese Nachricht ist wie eine kalte Dusche.
Er hätte mich wenigstens fragen können, wie es mir geht!
Das Sprichwort „Aus den Augen, aus dem Sinn“ bewahrheitet sich langsam. Ich gebe die Hoffnung jedoch nicht ganz auf. Bis jetzt hat Adam all seine Versprechen gehalten.
Ich beschließe, frische Luft zu schnappen, in den Straßen New Yorks, meiner neuen Stadt, herumzustreifen. Freundlich danke ich dem Fahrer und erkläre ihm meine Pläne, damit er nicht auf mich wartet. Ich merke, dass er zögert, ist dann aber einverstanden und gibt mir seine Nummer, für den Fall, dass ich meine Meinung ändere. Ich laufe, ich beobachte, ich spiele Touristin. Die grünen Alleen im Central Park wirken belebend. Vielleicht gehe ich hier später mal morgens joggen? Ich stelle mir vor, eine dieser Wohnungen zu besitzen, mit Blick auf dieses weite Grün … Später, vielleicht … Ich beschließe, nach Hause zu gehen, ich bin motiviert, eine Wohnung zu suchen und mich in mein neues Leben zu stürzen. Ryans Bleibe ist doch etwas zu finster für meinen Geschmack!
Bis zu meinem Bruder brauche ich nicht
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