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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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IM NOVEMBER 1928 reiste Armando de Troeye nach Buenos Aires, um einen Tango zu komponieren. Er konnte es sich leisten. Mit dreiundvierzig Jahren war der Schöpfer von Nocturnos und Pasodoble para Don Quijote auf dem Höhepunkt seiner Karriere, und alle spanischen Illustrierten veröffentlichten ein Foto, auf dem er sich Seite an Seite mit seiner schönen Gattin auf die Reling des Überseedampfers Cap Polonio der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft stützt. Das imposanteste Bild erschien auf den Gesellschaftsseiten von Blanco y Negro : Das Ehepaar de Troeye auf dem Deck der ersten Klasse, er mit einem englischen Trenchcoat über den Schultern, eine Hand in der Jackentasche, in der anderen eine Zigarette, wie er den Leuten zulächelt, die ihn vom Kai aus verabschieden; sie, Mecha Inzunza de Troeye, im Pelzmantel, die hellen Augen – die der Verfasser der Bildunterschrift im Überschwang als »betörend tiefgründig und golden« beschrieb – beschattet von einem eleganten Hut.
    An diesem Abend, die Lichter der Küste waren in der Ferne noch zu sehen, kleidete sich Armando de Troeye zum Essen an. Er war spät dran, aufgehalten von einer leichten Migräne, die eine Weile gebraucht hatte, um wieder zu verschwinden. Er hatte darauf bestanden, dass seine Gattin schon einmal vorgehen und der Musik im Tanzsaal lauschen sollte, bis er fertig wäre. Da er ein gewissenhafter Mensch war, nahm es einige Zeit in Anspruch, das Zigarettenetui zu füllen, es in der Innentasche der Smokingjacke zu verwahren und alle für den Abend notwendigen Dinge auf die übrigen Taschen zu verteilen: eine goldene Uhr mit Kette, ein Feuerzeug, zweiweiße, ordentlich gefaltete Schnupftücher, ein Döschen mit Verdauungspillen, eine Geldbörse aus Krokodilleder mit Visitenkarten und kleinen Scheinen für Trinkgelder.
    Schließlich schaltete er das Licht aus und schloss die Tür der Suite hinter sich. Bemüht, seine Schritte mit dem sanften Schaukeln des großen Schiffes in Einklang zu bringen, ging er über den Teppich, unter dem gedämpft das Stampfen der Maschinen zu spüren war, die das Schiff über den nächtlichen Atlantik bewegten.
    Bevor er den Salon betrat und während der Maître de table mit der Liste der Tischreservierungen auf ihn zukam, begutachtete de Troeye in dem großen Spiegel des Vorraums seine gestärkte Hemdbrust, die Manschetten und die auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhe. Gesellschaftskleidung brachte seine vornehme, zierliche Erscheinung stets besonders gut zur Geltung. Er war mittelgroß, mit einem eher durchschnittlichen als attraktiven Gesicht, das jedoch durch den intelligenten Blick, den gepflegten Oberlippenbart und die schwarzen, graumelierten Locken an Reiz gewann. Für einen Moment horchte sein geschultes Komponistenohr auf die Musik des Orchesters, das einen schwermütigen, sanften Walzer spielte. De Troeye lächelte nachsichtig. Die Ausführung war allenfalls korrekt. Dann steckte er die linke Hand in die Hosentasche, und nachdem er den Gruß des Maître erwidert hatte, folgte er diesem durch den Saal zu dem besten Tisch, den er für die ganze Reise reserviert hatte. Er zog einige Blicke auf sich. Eine schöne Frau mit Smaragdohrringen blinzelte ihn überrascht an. Man kannte ihn. Das Orchester stimmte einen weiteren langsamen Walzer an, als de Troeye sich an seinem Tisch niederließ, auf dem neben einem Glaskelch mit einer künstlich flackernden elektrischen Kerzenflamme ein unberührter Champagner-Cocktail stand. Von der Tanzfläche, auf der sich die Paare im Takt der Musik drehten, lächelte ihm seine junge Gattin zu. Mercedes Inzunza, die zwanzig Minuten vor ihm in den Saal gekommen war, tanzte mit einem schlanken, gutaussehenden Mann im Smoking: dem Eintänzer des Schiffes, dessen Aufgabe es war, sich um die weiblichen Erste-Klasse-Passagiere zu kümmern, die entweder allein reisten oder deren männliche Begleiter nicht tanzten. De Troeye lächelte zurück, schlug die Beine übereinander, wählte ein wenig affektiert eine Zigarette aus dem Etui und begann zu rauchen.

1 DER EINTÄNZER
    Es gab Zeiten, da besaß in seiner Zunft jeder Charisma. Und er war der Charismatischste von allen. Beim Tanzen hielt er immer fehlerlos den Takt, abseits der Tanzfläche waren seine Hände ruhig und gewandt, und stets hatte er einen geistreichen Satz oder eine schlagfertige Antwort auf den Lippen, was ihm die Sympathie der Männer und die Bewunderung der Frauen eintrug. Wie kein Zweiter beherrschte er

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