Alles nicht so einfach
Krawatte.
»Danke, Eric. Aber bitte nennt mich doch alle Garrick.«
Ich hatte das Gefühl zu spüren, wie die Hormone in den Raum schossen, als die Mädchen seinen Akzent hörten. Ich spürte, wie Kelsey mich anstarrte, doch ich heftete meinen Blick auf einen der Bühnenscheinwerfer an der Decke und versuchte, meinen rasenden Herzschlag durch Denken einzudämmen. Das war übel. Das war
so was von übel.
»Wie Eric bereits sagte, habe ich hier studiert. Letzten Mai habe ich dann einen Master in Schauspielerei an der Temple University in Philadelphia gemacht. Dort habe ich ungefähr sechs Monate am Theater gearbeitet, bis Eric mich anrief und fragte, ob ich Interesse an der befristeten Stelle hier hätte.«
Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, wobei ich einen Blickkontakt mit ihm fürchtete und gleichzeitig herbeisehnte. Er sah mich nicht an. Tatsächlich hatte er sich vollständig den Studenten auf der anderen Seite des Raumes zugewandt und ignorierte den kompletten Abschnitt, in dem ich saß. Außer dass er ausdrücklich nicht zu dieser Seite des Raumes herüberschaute, gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass er beunruhigt oder in irgendeiner Hinsicht gestresst war, während ich spürte, wie meine Wangen brannten. Meine Hände zitterten, als ich sie zwischen meine Knie presste.
»Mir haben die vier Jahre, die ich hier verbracht habe, sehr gefallen, und ich bin, ähm …«
Er sah mich an, und ich konnte nicht anders, als ihn ebenfalls anzuschauen – mit großen Augen, völlig erstarrt. Er räusperte sich und wandte sich wieder der anderen Seite des Raumes zu. »Ich bin ziemlich aufgeregt, wieder hier zu sein.«
Ich wollte mich in ein Loch verkriechen und sterben.
Ich wollte mich in ein Loch am Boden einer Schlucht verkriechen, unter einer Lawine begraben werden und dann sterben.
Ich wollte … weinen.
Eric verabschiedete sich, damit wir unseren neuen Lehrer kennenlernen konnten. Ich wünschte, ich hätte mich ebenfalls verabschieden können, weil ich ihn zufälligerweise schon recht gut kannte.
»Na dann«, fing Garrick an. »Mir ist klar, dass ich nicht viel älter bin als ihr.« Wieder huschte sein Blick zu mir. Ich war mittlerweile kaum noch in der Lage zu schlucken.
»Aber durch mich könnt ihr Einblicke in die nächste Etappe eurer Reise bekommen, von jemandem, der noch gar nicht so weit entfernt ist. Wir alle lieben Eric, Ben, Kate und den Rest der Fakultät, aber sehen wir den Tatsachen ins Auge – sie sind nicht mehr die Jüngsten.«
Die ganze Klasse lachte. Ich konzentrierte mich hingegen darauf, mich nicht zu übergeben.
»Die Welt sah anders aus, als sie ihre Karriere begannen. Als ich da saß, wo ihr jetzt sitzt, nannte man diesen Kurs noch Senior Prep. Ich glaube, inzwischen heißt er Business of Theatre. Wir werden hier alle Gebiete abdecken – vom Vorsprechen bis hin zu Karrieremöglichkeiten und der amerikanischen Schauspielergewerkschaft. Wir werden auch einige Zeit damit verbringen, uns über die abstraktere Seite von alldem zu unterhalten. Ich sag’s nicht gern, Leute, aber das Schwierigste an diesem Geschäft besteht nicht darin, eine Rolle an Land zu ziehen oder finanziell über die Runden zu kommen – obwohl das auch schwer ist. Aber das Schwierigste ist, den Mut nicht zu verlieren und immer im Gedächtnis zu behalten, warum man damals diesen Beruf ergriffen hat.«
Es war nicht schwierig für ihn, uns in Bezug auf unsere Zukunft Angst einzujagen. Wir waren ohnehin schon alle hypernervös deswegen. Seit das neue Semester begonnen hatte, führten wir nächtelange tiefschürfende (und natürlich alkoholisierte) Gespräche.
»Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich jetzt gern etwas über euch hören. Stellt euch doch alle mal vor und erzählt, was ihr nach eurem Abschluss gern machen würdet.«
Wir waren etwa zwanzig Leute in der Klasse. Die ersten acht oder so nannten ihren Namen, gefolgt von dem obligatorischen »Ich ziehe dann nach New York«.
Der Traum von so ungefähr jedem Schauspieler besteht darin, nach New York zu ziehen. Manche haben Glück und aus diesem Traum wird ein richtiger Plan. Andere von uns müssen da realistischer denken.
Cade, der neben Kelsey mein bester Freund war, sagte: »Cade Winston. Im Moment bin ich hin- und hergerissen, ob ich ein Aufbaustudium machen oder mich gleich auf die Castings stürzen soll. Ich weiß eigentlich nicht, ob ich wirklich an die Uni
möchte
oder ob ich einfach nur Angst habe.«
Garrick lächelte, und obwohl ich kurz
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