Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur
sind, welche die Welt womöglich ärmer
machen würden – und welche überhaupt kurzfristig möglich sind. Darum ist, wenn man so will, das geheime Motto dieses Buches:
»Konsumkritik – aber richtig!«
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|16| 1. Kulturkapitalismus
Warum wir heute immer weniger den Gebrauchswert von Gütern und zunehmend ihren kulturellen Mehrwert konsumieren.
In früheren Zeiten pflegten gediegene Blätter, die etwas auf sich hielten, unter ihrem Zeitungskopf zu annoncieren, es handele
sich bei ihnen um eine Zeitschrift »für Politik, Wirtschaft und Kultur« (die Hamburger
Zeit
hält bis dato an dieser Übung fest, hat aber neulich das Wort »Wissen« hinzugefügt). Doch blättert man heute dieselben Zeitungen
durch, wächst der Eindruck, Wirtschaft und Politik lösten sich zunehmend in »Kultur« auf. Die Schlagzeilen der Politikseiten
beherrscht das, was man so gemeinhin den »Kampf der Kulturen« nennt. Auch die Berichte über Wahlen, Parteien und Spitzenpolitiker
treffen kaum das Wesentliche, wenn sie von umstrittenen Sachfragen handeln – schließlich entscheidet heute über den Erfolg
und Misserfolg eines Politikers oder einer Politikerin zuvorderst deren »persönlicher Stil«, ihr »Image«. Die Wirtschaftsseiten
sind ohnehin Kulturseiten anderer Art, gibt es doch kaum mehr eine Ware, deren praktischer Gebrauchswert wirklich das Entscheidende
wäre. Sanfte Konsumfaktoren wie das Image der Ware, die »Persönlichkeit« der Marke sind in den meisten Fällen viel wichtiger.
Umgekehrt ist auch die »Kultur« ein ökonomisch wichtiges Gut – nicht nur als Anlagevermögen wie etwa in der bildenden Kunst
oder als marktgängige Massenware wie im Pop. Als gebaute Kunst ist die Architektur ein wichtiger Faktor für unternehmerischen
Erfolg, weshalb |17| sich die globalen »Power-Brands« ihre Konzernzentralen und »Flagship Stores« zu regelrechten Markentempeln ausbauen lassen.
Inszenierungen internationaler Regiestars in den führenden Theatern und Opernhäusern, die großen Kunstmuseen, aber auch ein
lebendiges Klein- und Subkulturleben sind für Städte, Regionen und Staaten vor allem ökonomisch wichtig – das macht sie als
Wirtschaftsstandort attraktiv, als begehrte Destination des Tourismus ohnedies.
Schon fragen sich Kulturredakteure gelegentlich, ob die Berichterstattung über manchen Kunstevent ehrlicherweise nicht besser
von der Wirtschaftsredaktion übernommen würde.
Keine Firma kann es sich heute mehr leisten, ein Produkt einfach so auf den Markt zu werfen. Das moderne Unternehmen ist ein
Kulturunternehmen; der zeitgenössische Kapitalismus, nach einem Wort des amerikanischen Trendforschers Jeremy Rifkin, ein
»Kulturkapitalismus«. Eigentlich würde schon die Formulierung, das Image ist so bedeutend wie der Gebrauchswert, zu kurz greifen.
Denn oft ist das Image der eigentliche Gebrauchswert. Design ist nicht nur Reklame, die den Verkauf befördern soll, das Design
ist das eigentliche Produkt. »Was wir auf dem Markt kaufen«, meint der slowenische Philosoph Slavoj Žižek, »sind immer weniger
Produkte und immer mehr Lebenserfahrungen wie Essen, Kommunikation, Kulturkonsum, Teilhabe an einem bestimmten Lebensstil« 6 . Die materiellen Objekte sind lediglich »Requisiten« dessen, was eigentlich verkauft wird.
Es ist das Geschäftsmodell der Firma Nike, das Žižek so perplex machte.
Nike ist das reinste Exempel für eine Firma, die einen Lebensstil verkauft, nicht Produkte. Denn die Güter, die Nike verkauft
– etwa die Turnschuhe mit dem berühmten |18| Swoosh, dem Logo der Firma –, werden von »unabhängi gen « Zulieferern in Sweatshops in der Dritten Welt produziert. Sie sind natürlich das Simpelste an der gesamten Operation. Was
Nike, also die Unternehmenszentrale, »produziert«, ist im Wesentlichen die Eroberung der Märkte – und das Instrument hierfür
ist das Image der Marke. Weder Gebrauchswert noch Qualität des Dinges entscheiden über seinen Erfolg, sondern seine »Kultur«.
Ist er Kult, dann läuft er, der Turnschuh.
All das ist nicht vollends neu, wird aber erst nach und nach in seiner gesamten Dimension begriffen. Natürlich hat die Kulturalisierung
damit zu tun, dass sich heute viele Dinge in ihrer Gebrauchswertfunktion gleichen – das gilt für simple Produkte wie Waschmittel
und Duschgel ohnehin, aber letztlich auch für raffiniertere Güter wie MP-3-Player oder Autos. Den Marktführer iPod unterscheidet
von der
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