Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
Jahren verließ; warum er ohne seine Schwester aufgewachsen ist. Aber jetzt, da er im Begriff ist, selbst Vater zu werden, wird er mir diese Fragen gewiß bald stellen.
Beim Wiederlesen dieser Aufzeichnungen sehe ich, daß ich mehr preisgegeben habe, als ich beabsichtigte, sowohl dem Leser als auch mir selbst, und daß diese Erinnerungen vielleicht nicht das richtige Geschenk für ein Kind sind. Ich finde das Ganze auch reichlich melodramatisch, die Geschichte eines etwas lächerlichen Mannes, die für niemanden von besonderem Interesse ist; andererseits ist, so traurig das sein mag, so vieles im Leben (die Freude, der Schmerz, die Beschuldigungen und Vorwürfe, unsere merkwürdigen Anfälle der Leidenschaft) Melodram, der höheren Weihen der Kunst kaum würdig.
Wir nähern uns dem Bahnhof, ich spüre den erlahmenden Herzschlag dieses überhitzten Zugs, eines müden Tiers, das seinen Tag beschließen und ruhen möchte. Bald werde ich zum Bahnsteig hinuntersteigen und in der Menge vergeblich nach meiner Tochter suchen, die ich seit fast zwei Jahrzehnten nicht gesehen habe. Vielleicht werde ich beim Aussteigen Tränen in den Augen haben, vielleicht werde ich auch nur geblendet sein vom grellen Licht, benommen von der Hitze, ein alter Mann in Florida mit den ersten Anzeichen eines Sonnenstichs.
Aber ich werde durchhalten. Und werde, wenn mein Kopf wieder klar ist, einem Taxi winken und mich zum Haus meiner Schwester fahren lassen. Wo ich meine Geschwister und Cousins und Cousinen begrüßen und auf ein Gespräch mit meiner Tochter hoffen werde. Wenn die Beerdigung vorbei ist, reise ich zurück und lege vielleicht einen kurzen Aufenthalt in Charleston ein, um Betty Hazzard zu besuchen.
Zurück in Thrupp, werde ich die mir noch verbleibenden Tage in einem Arbeitszimmer absitzen, in dem ich ständig meine Bücher umstelle, als brauchte man nur eine Bibliothek zu ordnen, um ein Leben zu ordnen.
Was diesen unordentlichen Lebensbericht angeht, so werde ich ihn, denke ich, neben Drydens Palamon und Arcite stellen, da ich voraussichtlich weder den einen noch den anderen Band in nächster Zeit brauchen werde.
Was war mein Verbrechen? Ich lehrte ein Kind das Lügen, aber meine Sünden waren weit größer.
Ich habe für den Moment mehr als genug geschrieben, ich fühle mich ausgehöhlt und brauche etwas Kaltes zu trinken. Dieses Schriftstück mit seiner bröckelnden Prosa ist das Zeugnis eines einst gelebten Lebens, ein Beweis, daß ich einst hier war und entschlossen, Liebe und Verständnis, Leidenschaft und Vergebung zu gewinnen, wenn nicht um meiner Seele willen, so um des Zustands all der Dinge willen, die zur Natur des Körpers und des Herzens gehören, das immer groß und hungrig und voll Verlangen ist.
Nicholaas Van Tassel
West Palm Beach, Florida
23. September 1933
Danksagung
Ich danke Michael, Ginger, Alan, Katherine und John.
(Und Betsy Uhrig.)
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