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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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merkwürdiger und fast ein wenig unheimlich, dass ihr alles dort dann so vertraut erscheint. Gleich umfängt sie wieder die schwere Luft zwischen den warmen Pflanzen. Eine sonderbare, hautnahe Privatheit, wie unter der Bettdecke oder in der engen Sprecherkabine, wenn sie den Kommentar zu einem Film aufnehmen. Ein Film ist kein Gefühlsstrom, er besteht aus zahllosen kleinen Fakten, die man erst einmal schaffen muss, hat sie Walter gestern zu erklären versucht, der sich genau das nicht richtig vorzustellen vermag, auch wenn er seine halbe Jugend im Kino verbracht hat. Beim Animationsfilm ist das jedem bewusst, aber es gilt für alle Filme, hat sie ihm zu verstehen geben wollen: »Da ist gar nichts, wenn man es nicht erst hergestellt hat – Bild für Bild, Ton um Ton. Eine einzige Abfolge von Entscheidungen, Detail für Detail. Und das ist die filmische Methode, Ideen zum Leben zu erwecken.«
    Er hat sie angesehen und gesagt: »Womit, denkst du eigentlich, beschäftigen wir uns den ganzen Tag in der Agentur?«
    Sie richtet den Blick hinauf zum Glasdach, wo Luken offen stehen, die etwas frische Luft hereinlassen. Alles atmet Feuchtigkeit aus zwischen den riesenhaften Urwaldgewächsen unter der hohen gläsernen Kuppel, und der Platz zwischen Trixi und all dem anderen in der Welt, gestern, heute, morgen, scheint angefüllt mit einer unwirklichen Substanz – warm und gefährlich. Zwei Türen aus schmutzigem Glas und Eisen trennen den hinteren Trakt hermetisch ab, wo die Luft kühler ist. Ihr Blick fällt auf ein paar farblos verkümmerte, nur skizzenhaft angedeutete Pflanzengebilde, die sich beidseits des Pfades auf den Boden ducken, als erwarteten sie einen festen Tritt von oben. Dann erst nimmt sie weiter hinten riesenwüchsige Kakteen wahr, wie sie in Wildwestfilmen den Horizont möblieren. Hinter den Unebenheiten und Verschmutzungen der alten Verglasung sieht sie im Sonnenschein das barocke Schloss. Wenn sich sogar Walter ein so falsches Bild ihres Lebens macht, liegt es womöglich an der Pralinenschachtelatmosphäre, in die einen diese Stadt bettet. Von der hellen Fassade hebt sich vielfarbig das Laub der Bäume ab. Ein morbides Kammerspiel. Trixi verlässt den Park.
    Eigentlich ist sie entschlossen gewesen, nicht erst lange zu warten und die technische Ausstattung der neuen Räume gleich in Auftrag zu geben. Aber wenn sie jetzt daran denkt, sich in eines der tristen Telefongeschäfte bemühen zu müssen, schwindet ihr Elan – beim Gedanken an Verkäufer, die in ihre Computerbildschirme starren und dabei roboterhaft nur von ihnen selbst zu deutende Zahlen und Silben aneinanderreihen. Sie will bloß noch nach Hause und freut sich darauf, Walter am Abend damit zu überraschen, dass sie endlich Erfolg hatte.
    Der Tag hat ihm sichtlich zugesetzt, aber jetzt ist er entschlossen, sich zu entspannen. Als er nach einer heißen Dusche bequem gekleidet wieder auftaucht, wirken seine Züge nicht mehr ganz so verbissen. In der Küche öffnet er eine gekühlte Flasche Chablis und kommt mit zwei Gläsern zu dem Sofa, auf dem Trixi liegt. Der eingerollte Kater zu ihren Füßen rührt sich nicht und schiebt das Lid halb vom Auge. Bob würde im Ganzen mehr Reglosigkeit vorziehen und gerne weiterschlafen. Auch Trixi ist müde gewesen, als sie heimkam. Sie hat sich hingelegt, mit dem Kater zu Füßen und dem großen Buch über Lindner neben sich. Merkwürdige Träume sind in ihr aufgestiegen, in denen sich die Muster des Kelims auf den Dielen ihres Kinderzimmers in dem Mieder fortsetzten, dem einzigen Kleidungsstück einer Frau, die über ihren nackten Brüsten einen schmalkrempigen Hut auf dem runden Kopf trug. Neben ihr saß ein Mann, dessen Hirn angefüllt war mit geometrischen Formen und einer Sonne, deren Strahlen sich mit dichten Wolken abkämpften. Der Mann richtete den Blick in die Ferne, wo er ein Ziel anvisierte, das nicht auszumachen war. Er beachtete die Frau nicht. Und gerade als Trixi darauf kommt, dass es sich bei dieser Frau um sie selber handelt, steht Walter mit dem Weinglas vor ihr.
    »Hast du eigentlich schon etwas gehört zu deinem Projekt? Gerber wollte doch dein Exposé verschicken. Hat sich schon jemand geäußert?«, fragt er.
    Dabei bleibt es, als sie nichts dazu sagt. Trixi ist plötzlich nicht mehr in der Stimmung, ihm gleich von ihrem Tag zu erzählen. Sie behält die Nachricht erst einmal für sich, dass sie die Räume gemietet hat. Wenn er so aufgelegt ist, wird er kaum imstande sein, sich mit ihr

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