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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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zu spät komme. Ein Unfall bei Tübingen hat mich aufgehalten.«
    Statt uns den Neuankömmling vorzustellen, griff Richard sich hastig ins Jackett. Sein Handy brummte. Ein Blick auf das Display zog ihm die Brauen zusammen. Er entschuldigte sich, stand auf und nahm, während er den Speisesaal Richtung Ausgang durchquerte, das Gespräch an.
    »Nobel«, bemerkte der Neuankömmling, während er Platz nahm. »Weiß jemand, warum unser Oberherrgöttle uns solche kulinarischen Segnungen zuteilwerden lässt?«
    Meisner hüstelte.
    Daraufhin fiel der Blick des Neuen auf mich. »Oh, guten Abend, Frau Nerz. Sie sind doch Frau Nerz? Wir sind uns noch nicht begegnet. Klaus Kromppein ist mein Name, Staatsanwaltschaft Hechingen.«
    »Angenehm«, log ich.
    Kromppein war ein von der Ehe gemästeter und von seinen Kindern ermüdeter Mann in kariertem Jackett mit roter Krawatte zu weißem Hemd. Wenn er mich erkannte, ohne mich zu kennen, dann bewies das sein gespitztes Ohr für die über Land wabernden Gerüchte über die unpassenden privaten Neigungen des Oberstaatsanwalts für Wirtschaftsstrafsachen und mein extravagantes Benehmen samt der Narben einer geborstenen Windschutzscheibe in meinem Gesicht.
    »Sie sind also die Schwabenreporterin Lisa Nerz. Ich habe Ihren Artikel in der Sonntagsbeilage übers Spätzleschaben gelesen. Meine Großmutter hat dabei übrigens immer Beethovens Fünfte gesummt. Da-da-da-daaa. Sie müssen ja einen Rhythmus beim Schaben kriegen, gell.«
    Ich suchte nach einem konversationstüchtigen Synonym für Klugscheißer. Aber niemand wartete auf meine Antwort.
    Kromppein schlug die Karte auf und wandte sich an Meisner. »Und noch ein Gutes hat die Sache. Ich bin einer Buchvorstellung im Zollernschlössle entkommen. Unser Gerichtsmediziner hat ein Buch geschrieben, leider über die Waagenindustrie von Balingen. Bemühte Reden, Honoratioren, aufgedonnerte Gattinnen und angetrocknete Lachsschnittchen, eine wahrhaft tödliche Mischung für den Magen!« Er lachte. »Und alle meinen, ich sei ein kostenloser Rechtsberater, der einen Kuhhandel nur abnicken muss, damit es vom Finanzamt keine bösen Überraschungen gibt.«
    »Und mit mir wollen sie immer über den perfekten Mord reden«, plauderte Meisner. »Erstaunlich, wie viele Menschen glauben, ein Mord könnte begangen werden, um zu beweisen, dass es den perfekten Mord gibt. Das Agatha-Christie-Prinzip nenne ich es immer. Wir scheinen zu wünschen, dass Mord eine Leistung der Intelligenz sei. Dabei sind die meisten Morde Totschlag und die Folge atavistischer Gefühle wie Wut, Eifersucht und Herrschsucht. Vor allem Herrschsucht. Was nehmen Sie denn, Herr Weininger?«
    Christoph dehnte ein Äh.
    »Ah, es gibt Balinger Archerind!«, bemerkte Kromppein. »Garantiert BSE-frei.«
    »Haben Sie Angst vor Hirnerweichung?«, erkundigte ich mich interessiert.
    In diesem Moment kam Richard an den Tisch zurück. Seine milchkaffeebraunen Augen waren noch asymmetrischer als sonst. »Das war eben meine Mutter«, sagte er mit Verwunderung in seiner Stimme. »Mein Vater ist tot.«
    Das klingelnde Karussell des Alltags und Alkohols stoppte in meinem Hirn.
    »Oh, das tut mir leid!«, sagte Meisner geistesgegenwärtig. »Hat man denn damit rechnen müssen?«
    »Nein, gar nicht. Er hat das ewige Leben, habe ich sogar vorhin noch gedacht.«
    »Mein Beileid, Herr Doktor«, sagte Kromppein. Christoph hängte sich mit einem Gemurmel an.
    »Dann hat er also nicht leiden müssen«, stellte Meisner mit ihrer weiblichen Konversationskompetenz fest, während die beiden Männer in ihren Mienen nach Mitgefühl suchten, ohne es zu finden.
    »Er ist wohl einfach eingeschlafen«, antwortete Richard ungewöhnlich mitteilsam. »Während des Mittagsschlafs. Als meine Mutter vorhin nach ihm schaute, war er tot.«
    »Wie alt war er denn, Ihr Herr Vater?«
    »Fünf … äh, nein, vierundachtzig.« Richard entglitt der Blick durchs Panoramafenster in die Stadt hinab. »Tja, dann werde ich jetzt wohl nach Balingen fahren müssen.«
    Der Hechinger Staatsanwalt zuckte zusammen. Balingen gehörte zu seiner Gemarkung, und ein unerwarteter Tod rief normalerweise einen Staatsanwalt auf den Plan. Aber das war nicht der Punkt. »Balingen?«, stieß er hervor. »Dann sprechen wir vom Herrn Dipl.-Ing. Martinus Weber? Das ist Ihr Vater? Sie sehen mich erschüttert!«
    Für den Bruchteil einer Sekunde bohrte sich Richards Blick mit der gesamten aggressiven Intelligenz, die er sonst auf Sparflamme hinter langen Wimpern

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