Allmachtsdackel
sagte Richard.
Ich nickte dazu, als hätte irgendjemand Interesse an meiner Meinung. Cipión machte es besser: Er zerrte in Richtung Küche.
Vincent verabschiedete uns an einen Tisch am Fenster. Dort saßen schon Staatsanwältin Meisner und der frisch beförderte Hauptkommissar Christoph Weininger, drehten ihre Aperitifs, knabberten ihre Amuse-Gueule und versuchten so auszusehen, als schüchtere sie die Zahl der Kellner, Beistelltische und Weinkelche auf dem Tisch nicht ein.
»Pünktlich wie die Maurer«, bemerkte Meisner. »Guten Abend, Herr Dr. Weber, Frau Nerz. Wie elegant Sie wieder aussehen.«
Christoph stand auf. Wenn er und Richard sich die Hände gaben, sah es immer so aus, als hätten sie Reißnägel dazwischen. Cipión machte sich daran, schnüffelnd mein Stuhl- und ein Tischbein zu umrunden, bis ihn der Würgegriff der Leine zum Hinlegen zwang. Eine Kellnerin forderte lächelnd erste Entscheidungen. Ich bestellte einen Martini. Richard schüttelte wie üblich den Kopf.
»Da muss erst ein Gebäudereiniger verknackt werden«, bemerkte Meisner, »damit ich mal in die Wielandshöhe komme. Dabei habe ich fast gar nichts dazu beigetragen.« Sie war eine rundliche brünette Person von undefinierbarem Alter, gehörte dem Dezernat für Tötungsdelikte an und redete gern. »Kalbsrücken vom Balinger Archerind?«, rätselte sie beim Studium der Karte. »Was ist das wieder für eine Rasse?«
»Ganz normales Fleckvieh«, antwortete Richard, der immer alles wusste. »Das Besondere ist, dass es völlig frei auf der Weide gehalten wird, Kühe, Kälber und Stiere, alle zusammen. Eine archetypische Rindergesellschaft gewissermaßen. Sie steht in Balingen.« Er beugte sich galant vor. »Geführt wird die Herde übrigens nicht von einem starken Stier, sondern von einer starken Kuh!«
»Darf man Sie so verstehen, Herr Dr. Weber, dass Sie das für ein gesellschaftstüchtiges Modell halten, beispielsweise für unsere Staatsanwaltschaften?«
»Aber, Frau Meisner«, erwiderte Richard liebenswürdig, »Sie werden sich doch nicht mit einer Kuh vergleichen wollen.«
Meisner lachte und hob ihren Sherry. »Auf die diskrete Unverschämtheit des Patriarchats!«
Christoph Weininger senkte die Nase in die Karte. »Feiern wir wirklich nur den Abschluss des Prozesses?«, erkundigte er sich flüsternd bei mir in der irrigen Annahme, ich müsste über Richards wahre Beweggründe Bescheid wissen.
»Wahrscheinlich auch deine Beförderung zum Hauptkommissar, Christoph.« Ich prostete ihm mit meinem Martini zu. Dessen Wermutbitter zog augenblicklich meine ausgehungerten Magenwände zusammen, während der Alkohol mein Hirn einlullte. Zusätzlich textete Christoph mich mit den Feinheiten der Vermögensabschöpfung zu.
»Die Gesetze stammen aus den Neunzigern. Man wollte die Gelder aus dem Drogenhandel abschöpfen. Außerdem sollte niemand ein paar Jahre Gefängnis auf einer Arschbacke absitzen und danach Jachten kaufen. Der Fehler war, dass man nur die Einnahmen einbehalten wollte. Deshalb mussten Staatsanwälte und Gerichte sich damit beschäftigen, wie viel ein Dealer wohl für den Kauf der Drogen, für Fahrtkosten und Rabatte an Kleindealer ausgegeben hatte, und das vom Reinverdienst abziehen. Seit ein paar Jahren gilt nun das Bruttoprinzip. Alles fällt an den Staat. Und jetzt haben wir das umgekehrte Problem. Wie hoch ist beispielsweise die Ersparnis für jemanden, der Giftmüll an die Elfenbeinküste schippert und dort in die Kanalisation kippt? Nicht ganz leicht auszurechnen.«
»Habe ich nie drüber nachgedacht.«
»Die Staatsanwaltschaft auch nicht. Baden-Württemberg soll aber Vorreiter werden. Deshalb hat man jetzt Hunderte Beamte zu Finanzermittlern ausgebildet, darunter meine Wenigkeit.« Er lächelte böse zu den Staatsanwälten hinüber. »Was aber dazu geführt hat, dass wir uns besser in der Materie auskennen als die Staatsanwaltschaften. Das konnte unser Freund Weber nicht auf sich sitzen lassen. Er hat sich prompt der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Vermögensabschöpfung angenommen. Bei allen Verfahren über 100000 Euro muss er eingeschaltet werden, als Oberstaatsanwalt für Wirtschaftsstrafsachen beim Landgericht Stuttgart. Übrigens gibt es da gerade bei der Staatsanwaltschaft Hechingen einen interessanten Fall. Einen Hofverkauf in Balingen. Dabei geht es um den Verfall ordnungswidriger Einnahmen von einer Viertelmillion Euro.«
Die Ankunft eines weiteren Gastes unterbrach uns.
»Entschuldigen Sie, dass ich
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